Wien – Nur Vordergründigkeit: das war Cathrin Pichler, einer Kuratorin europäischen Formats, stets zu wenig. Sie lotete, ohne sich, wie andere, ins Rampenlicht zu drängen, immer die Tiefe aus – und sie stieß dabei auf neue Erkenntnisse und Zusammenhänge. Geprägt war ihre Arbeit durch Seriosität und Respekt vor der Kunst wie der Wissenschaft.
Cathrin Pichler, geboren 1946, studierte in Wien Publizistik, Kunstgeschichte, Soziologie und Psychologie sowie Kommunikationstheorie und Informationsästhetik. In den 1980ern begann sie große Themenausstellungen zu konzipieren. Legendär ist u.a. die Wiener-Festwochen-Schau Wunderblock. Eine Geschichte der Modernen Seele über zwei Jahrhunderte Bewusstseins- und mehr noch Unterbewusstseinsgeschichte, die sie 1989 mit Jean Clair und Wolfgang Pircher im Messepalast (MQ) realisierte.
1992 bis 1994 war sie, vom damaligen Kunstminister Rudolf Scholten bestellt, die erste Bundeskunstkuratorin (zusammen mit Robert Fleck), 1995 wurde sie zur Chefkuratorin der Kunsthalle Wien ernannt. Doch schon nach zwei Jahren gab sie auf. Den ihre Arbeitsweise war mit jener von Gerald Matt, der in der Folge Direktor wurde, nicht kompatibel: Sie kritisierte ihn scharf.
Pichler blieb freie Kuratorin, sie lehrte an mehreren Universitäten, darunter an der Angewandten. Mit Hans Peter Litscher trug sie 2002 im Mumok die bisher komplexeste Sammlung an Materialien von und zu Antonin Artaud zusammen. Ihre letzte Ausstellung war im Herbst 2010 The Moderns – Revolutions in Art and Science 1890 – 1935. Im März wurde die Kunstvermittlerin und Kuratorin, längst schwer erkrankt, mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse ausgezeichnet. Am Freitag schlief Cathrin Pichler friedlich ein. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 30.6./1.7.2012)