Das Deckengemälde des italienischen Malers Gregorio Guglielmi (1755) im Festsaal der Akademie der Wissenschaften zeigt die vier Fakultäten der Universität (Jus, Medizin, Philosophie, Theologie).

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Es brauchte eine Bittschrift von zwölf namhaften Gelehrten, um per kaiserlichem Dekret vom 14. Mai 1847 die "Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien" zu gründen - als "Gelehrtengesellschaft und Hort wissenschaftlicher Freiheit".

165 Jahre später heißt diese "Österreichische Akademie der Wissenschaften" (ÖAW) und ist noch immer honorige Gelehrtengesellschaft. Aber nicht nur. Die ÖAW ist auch die größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung des Landes mit 1400 Mitarbeitern und international renommierten Instituten. Unter einem Dach. "Regiert" von einem Präsidium.

Ausweitung der Kampfzone 

Mit den Jahren scheint der Platz für ältere Gelehrte und junge Forscher eng geworden zu sein. Es knarzt an mehreren Stellen: Drei prominente Austritte (Ökonom Gunther Tichy, Molekularbiologin Renée Schroeder, Linguistin Ruth Wodak), begründet auch mit schleppenden Reformen und dem Vorwurf, Seilschaften seien wichtiger, um in den erlauchten Mitgliederkreis vorzudringen, als Exzellenzausweise (Wittgenstein-Preis, ERC-Grants). "Rettet die ÖAW"-Proteste folgten auf die Budgetkürzung durch das Wissenschaftsministerium (laut ÖAW führt das 223,8-Millionen-Euro-Budget für 2012 bis 2014 zu einer 40-Millionen-Euro-Lücke), in deren Folge mehrere ÖAW-Institute an Universitäten angebunden wurden oder noch werden. Dazu kommen laute Mitbestimmungsforderungen der jungen Wissenschafter in der Akademie.

Drei Kampfzonen zeichnen sich ab: Das Verhältnis Gelehrtengesellschaft-Forschungsträger, die (überalterte) Klassengesellschaft und die "Jungen" in der ÖAW.

Einig sind sich eigentlich alle - auch das ÖAW-Präsidium -, dass die groß gewordenen Forschungsflaggschiffe wie zum Beispiel IMBA (Josef Penninger), IQOQI (Anton Zeilinger, Rudolf Grimm, Interview rechts), CeMM (Guilio Superti-Furga) oder das Institut für Demographie (Wolfgang Lutz) - nicht vom ÖAW-Präsidium "nebenher" mitgemanagt werden können. Die administrative Trennung ist nur eine Frage der Zeit.

ÖAW-Präsident Helmut Denk sagt, im Zuge des laufenden Reformprozesses sei eine "neue, professionelle Managementstruktur" für die ÖAW-Forschung geplant, die "Gelehrten" sollen nur noch über ein "aufsichtsratsähnliches Gremium neben internationalen Experten" eingebunden sein. Der früher "sehr große Einfluss" der Gelehrten auf Gesamt- und Teilbudget für die "Klassen" sei passé.

Der systemimmanente Streit ums Geld wird bleiben, die Forderung nach transparenterer Mittelverteilung auch. Das Rezept und Reizwort lautet: "Fokussierung" auf die 1. Liga. Denk: "Wir können nur Forschung in ausgewählten Bereichen machen, die muss aber international mithalten können."

Die Frage, "was passt in eine Akademie hinein", hält auch FWF-Präsident Christoph Kratky, wirkliches ÖAW-Mitglied, für entscheidend: "Die ÖAW muss sich ein Forschungsprofil geben."

Generationenkonflikt

Scharfe Kritik an den Strukturen der Gelehrtengesellschaft äußert die "Junge Kurie" - und meint zum Beispiel die durch die lebenslange Mitgliedschaft bedingte Altersstruktur und ihre Folgen für Wahlentscheidungen sowie die zwei "Klassen" (Wissen). Der 50-Prozent-Einfluss der historisch-philosophischen Klasse sei weit überproportional in Relation zu ihrem Anteil in der Wissenschaft. In der Gesamtsitzung ginge es vor allem um Lobbying und Machtfragen, nicht um Wissenschaft. "Die meisten Mitglieder der Jungen Kurie wenden sich mittlerweile von der reformunfähigen ÖAW ab, viele wollen austreten", sagt Direktoriumsmitglied Norbert Mauser.

Für die ausgetretene Renée Schroeder ist das ein "Generationenkonflikt". Präsident Denk plädiert für den Umbau in Sektionen statt Klassen: "Eine klassenlose Gesellschaft" - inklusive Junge.

Biochemikerin und wirkliches Mitglied Andrea Barta (Max F. Perutz Laboratories) warnt vor "Altersdiskriminierung", rät der ÖAW aber zu einer "systematischen Zusammenschau, wo wir wirklich die Besten herkriegen, und welche Felder in der Akademie unterrepräsentiert sind".

Goethe löste seinerzeit die "Gelehrtentragödie" in der Hexenküche: Dort bekam Faust jenen Zaubertrank, der ihn verjüngte. "Und schafft die Sudelköcherei wohl dreißig Jahre mir vom Leibe?" Diese Art Hokuspokus wird der ÖAW wohl keinen Weg weisen. Eher schon Fausts Einsicht im Studierzimmer: "Im Anfang war die Tat." (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 2.7.2012)