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Bob Diamond muss gehen.

Foto: AP/Virginia Mayo

Im Libor-Manipulationsskandal haben Politik und Aufsichtsbehörden in England den Barclays-Chef zur Aufgabe gezwungen. Bob Diamond begründete am Dienstag seinen Rücktritt mit "äußerem Druck, der die Marke beschädigt" - ein verklausulierter Hinweis auf die öffentlichen Aufforderungen durch Politiker sowie auf diskrete Anrufe des Zentralbank-Gouverneurs, Mervyn King, sowie des Leiters der Finanzaufsicht FSA, Adair Turner.

Finanzminister George Osborne begrüßte den Abgang: "Das ist die richtige Entscheidung für unser Land und hoffentlich der erste Schritt zu einem verantwortungsvolleren Bankensystem." Barclays hatte in der Vorwoche jahrelange Marktmanipulation eingeräumt und sich mit den Aufsehern beiderseits des Atlantiks auf eine Strafe von 360 Mio. Euro geeinigt, Ermittlungen des FBI in Amerika sowie der britischen Betrugsverfolgungsbehörde sind anhängig.

Durch den Skandal sei dem Institut "verheerender Rufschaden" entstanden, sagt Aufsichtsratsvorsitzender Marcus Agius, der interimistisch die Geschäfte der Bank übernimmt und Diamonds Nachfolger sucht. Agius hatte am Montag zunächst mit seinem eigenen Rücktritt Kritiker der Bank besänftigen wollen. Stattdessen forderten führende Politiker wie Vizepremier Nick Clegg sowie Oppositionsführer Edward Miliband zusätzlich auch Diamonds Kopf.

Watschenmann

Der 61-jährige Amerikaner fungiert seit langem als Watschenmann der City of London. Unter seiner Führung verleibte sich Barclays die Filetstücke der pleitegegangenen Lehman Brothers ein und wurde zu einer führenden Investmentbank der Welt. Dafür kassierte Diamond Jahresvergütungen von rund 24 Mio. Euro. Kritikern teilte er gerne mit, das "Banker-Bashing" müsse endlich ein Ende haben. Mittlerweile hat auch der leitende Geschäftsführer von Barclays, Jerry del Missier, die Bank verlassen.

Stuart Fraser, Chef-Lobbyist der City of London, macht sich Sorge um die Stimmung am wichtigsten Finanzplatz der Welt: "Die meisten Leute empfinden die gleiche Abscheu wie ich. Wir müssen das Vertrauen wiederherstellen."

Dazu soll der Finanzausschuss des Unterhauses beitragen. Heute, Mittwoch, befragt er den geschassten Barclays-Boss - nicht zuletzt zu seinen Kontakten im Herbst 2008 mit dem Vizegouverneur der Bank of England, Paul Tucker. Am Höhepunkt der Finanzkrise ging es damals um Barclays' Finanzierungsschwierigkeiten; offenbar glaubten Barclays-Trader, Tucker habe den Libor-Manipulationen sein Plazet erteilt. Der Zentralbanker galt bisher als untadelig und gilt als Favorit für die Nachfolge des Gouverneurs King im kommenden Jahr. "Wie viel Diamond sagen wird, hängt wohl davon ab, ob er weiter in London arbeiten will", analysiert ein City-Insider. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 4.7.2012)