Die Grünen haben eine Grundsatzentscheidung getroffen: Sie wollen 2013 in die Regierung. Vorzugsweise in einer rot-grünen Koalition, die sich aber nicht ausgehen wird, notfalls als Beschaffer einer Regierungsmehrheit, falls SPÖ und ÖVP unter die 50 Prozent fallen. Es werden dazu bereits Vorleistungen erbracht in Form von Zustimmung zu Gesetzen, die eine Verfassungsmehrheit benötigen, bzw. eine möglichst breite Basis haben sollten. Zuerst ein Transparenzgesetz, dann die Zustimmung zum Eurorettungsfonds ESM.

Die Entscheidung der Grünen ist inhaltlich und wahrscheinlich auch strategisch richtig. 26 Jahre nach der Parteigründung ist es Zeit, dass die Grünen mitregieren. Ihr Regierungseintritt könnte - könnte - eine neue, qualitativ bessere Dimension in die ermüdete, recht einfallslose Regierungspraxis von Rot und Schwarz bringen.

Die grüne Partei ist die einzige, die von den Grundübeln der anderen - Korruption und populistisches Spielen mit dem Ausländerhass - so gut wie frei ist. Sie vertritt - allerdings nicht entschieden und konzeptionell genug - die Interessen oder eher das Lebensgefühl von jüngeren Mittelschichtlern, die weder mit Gewerkschaftsbeton (schwarz und rot) noch mit der roten und schwarzen Spießigkeit, und schon gar nicht mit dem FPÖ-Syndrom des wildgewordenen "kleinen Mannes" etwas zu tun haben wollen.

Viele moderne jüngere Mittelschichtler sind Aufsteiger (durch besseren Bildungszugang), zugleich aber schon wieder vom Abstieg bedroht. Qualifizierte Jobs sind schwer zu bekommen und leicht zu verlieren. Sie tragen einen Gutteil der Abgabenlast, müssen aber zusehen, wie andere Schichten begünstigt werden - durch das Sozialsystem, durch üppige Förderungen.

Diese neue Gruppe, unter der auch sehr viele neue Selbstständige sind, hat im Grunde keine schlagkräftige Vertretung. Wenn sich die Grünen von den Dogmen ihrer altlinken Funktionärsschicht lösen könnten ("Jeder mit zwei Fahrrädern ist ein böser Kapitalist und gehört kräftig besteuert"), wäre hier die Möglichkeit, für die eigene Klientel wirklich etwas tun zu können.

Die Fundamentalisten unter den grünen Wählern werden ohnehin schon mehr und mehr von der Piratenpartei angezogen. Die Piraten und die Leute von Attac schäumten schon über den "Verrat" der Grünen bei der ESM-Zustimmung. Die Verluste am ganz linken Flügel wären zu kompensieren durch Gewinne bei bürgerlich-liberalen Nichtwählern bzw. bei enttäuschten liberalen SPÖlern und ÖVPlern. Die Grünen könnten eine sozialliberale Partei mit Umwelt-Touch werden.

Der grüne Wirtschaftssprecher Werner Kogler hat bereits erkennen lassen, dass er sich um die "neuen Selbstständigen" mehr kümmern will. Er hat auch die ESM-Zustimmung mit der Regierung verhandelt. Eva Glawischnig müsste noch etwas umdenken, da sie von einer rot-grünen Linksfront träumt.

Es kann natürlich auch schiefgehen. Aber eine Grundsatzentscheidung der Grünen war fällig. (Hans Rauscher, DER STANDARD,4.7.2012)