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Timbuktu/Wien - Timbuktu, im Nordteil Malis gelegen, gilt als "Stadt der 333 Heiligen". Das bezieht sich auf die Zahl der Mausoleen und Moscheen, die in der Stadt verstreut zu finden sind. Die Stätten sind Männern gewidmet, die wegen ihrer Religiosität oder ihrer besonderen Weisheit verehrt werden - in den Augen der radikalen Rebellen ein Angriff auf das islamische Prinzip, sich allein Allah zuzuwenden.

Von jenen 16 Mausoleen, die von der Unesco als Weltkulturerbe eingestuft werden, wurden bisher mindestens acht schwer beschädigt oder zerstört.

Das von Nomaden gegründete Timbuktu blühte wegen seiner Lage am Knotenpunkt wichtiger Handelsrouten im 15. und 16. Jahrhundert auf. Die Stadt galt als Zentrum islamischer Gelehrsamkeit. Bis zu 25.000 Studenten besuchten die Sankoré-Universität.

Aus dieser Zeit stammen auch die von der Unesco anerkannten Kulturdenkmäler. Sie sind aus Lehm gefertigt und daher ohnehin besonders fragil. Wegen der Gefahr, bei den Kämpfen zerstört oder geplündert zu werden, hatte sie die Unesco im Juni auf die Liste des als besonders gefährdet geltenden Weltkulturerbes gesetzt.

Bereits Mitte Mai starteten Mitglieder der Rebellengruppe Ansar Dine einen ersten Angriff auf das Mausoleum des Heiligen Sidi Mahmud auf dem gleichnamigen Friedhof im Norden der Stadt. Die Meldung über die Besorgnis der Unesco diente dann am Wochenende als Anlass, dieses und weitere Mausoleen vollständig zu zerstören. Auch die im Osten der Stadt gelegene Grabstätte des Heiligen Sidi Moctar fiel der Zerstörung zum Opfer.

Am Montag schlugen dann Angreifer mit Spitzhacken die "heilige Türe" der Sidi-Yahia-Moschee ein, die aus dem frühen 15. Jahrhundert stammt. Nach dem Glauben der Bewohner Timbuktus darf diese Türe erst am jüngsten Tag geöffnet werden.

In Gefahr sind außerdem tausende historische Manuskripte aus der Blütezeit der Universität. Die Unesco äußerte schon Ende Juni, als sie die Stätten auf die Liste gefährdeter Kulturgüter setzte, die Sorge, dass auch die Texte zerstört werden könnten.

Die Manuskripte sind großteils in privaten Häusern angesehener Familien untergebracht. In den Texten geht es zwar zum Teil um den Islam; aber auch etwa um Astronomie, Musik und Anatomie - Themen, die Ansar Dine als unislamisch betrachtet. Möglich scheint Experten auch, dass die Kämpfer nicht an der Zerstörung der Manuskripte interessiert sein könnten, sondern an deren Geldwert am Schwarzmarkt. (Manuel Escher /DER STANDARD, 5.7.2012)