Karlsruhe - Einen Tag nach dem Geiseldrama mit fünf Toten in Karlsruhe steht die Stadt noch unter Schock. Von einer Auswertung der Spuren am Tatort erhoffen sich die Beamten Aufschluss zur Herkunft der Waffen. Zudem gehen sie Zeugenaussagen nach, wonach schon am Vorabend Schüsse in der Wohnung gefallen sein sollen.

Die Beamten schließen nicht aus, dass die Freundin des 53-jährigen Täters schon vor der Geiselnahme von diesem erschossen wurde. Klarheit soll eine Obduktion an diesem Freitag bringen. "Denkbar ist, dass er vor den Scherben seines Lebens gestanden ist", sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag zu den Motiven des Täters.

"Regelrechte Hinrichtung"

Der 53-Jährige hatte am Mittwoch bei einer Zwangsräumung der Wohnung seiner Freundin den Gerichtsvollzieher, einen Mitarbeiter des Schlüsseldienstes und den neuen Wohnungseigentümer erschossen. Die Freundin wurde mit einem Brustschuss tot im Bett gefunden. Am Ende erschoss sich der Täter selbst.

Die Ermittler gehen davon aus, dass der Mann die Geiselnahme und die Ermordung seiner Opfer lange zuvor geplant hat. Er war nicht wegen Gewaltdelikten vorbestraft, vor Jahren hatte er aber einen Ladendiebstahl verübt, bei dem er ein Messer dabei hatte.

Herkunft der Waffen unklar

Der Geiselnehmer hatte ein Schrotgewehr, ein Gewehr mit langem Magazin, zwei Pistolen und eine Übungshandgranate. Die Fahnder wollen mit Hilfe der deutsch-französischen Polizeistelle in Kehl herausfinden, woher er die Waffen hatte und ob er möglicherweise eine französische Waffenerlaubnis hatte.

In der Stadt herrscht unterdessen Fassungslosigkeit und Trauer. Der getötete Gerichtsvollzieher war ebenso Familienvater wie der Schlosser, der eine schwangere Frau hinterlässt.

Der Staatsanwaltschaft zufolge konnte der Gerichtsvollzieher "zu keinem Zeitpunkt" mit dem schlimmen Verlauf rechnen. Er hatte einen Sozialarbeiter dabei, der als einziger die Tragödie überlebte. Der Geiselnehmer hatte ihn nach einer Stunde freigelassen.

Täter war kein Jäger

Der Deutsche Jagdschutzverband (DJV) teilte mit, dass der mutmaßliche Täter kein Jäger war: Er war weder bei der Waffen- noch bei der Jagdbehörde in Frankreich oder Deutschland gemeldet und besaß keinen Europäischen Feuerwaffenpass, hieß es in einer Mitteilung. Demnach handelt es sich wahrscheinlich um einen illegalen Waffenbesitzer. Auch hat der Mann wohl keine Jagdwaffen besessen.

Der DJV forderte die Politik auf, verstärkt gegen illegalen Waffenbesitz vorzugehen und wies auf Defizite bei der europäischen Harmonisierung des Waffenrechts hin. In Deutschland müssen Jäger und andere legale Waffenbesitzer spätestens alle drei Jahre eine Kontrolle ihrer persönlichen waffenrechtlichen Zuverlässigkeit über sich ergehen lassen. Zudem werden Jäger beim Lösen ihres Jagdscheins überprüft. Das deutsche Waffengesetz gilt als eines der strengsten weltweit.

Ein Spezialeinsatzkommando hatte am Mittwochmorgen nach knapp dreistündiger Geiselnahme die Wohnung gestürmt. Da waren die Opfer aber schon tot. Nur den Sozialarbeiter, der den Gerichtsvollzieher begleitet hatte, ließ der Täter gehen. (APA, 5.7.2012)