Foto: creative commons/Darkone

ÖVP-Chef Spindelegger sieht sich durch die grüne Zustimmung bestätigt: Nein, der ESM sei kein Teufelszeug. Kapitalismuskritische Zweifler sind verunsichert. Sind ihre VertreterInnen im Parlament (um)gefallen? Haben sie ihre Seelen verkauft? National gesinnte Rechts-Populisten schüren indessen das Feuer, bilden Rauchwolken aus scheinheiligem Demokratie-Geschwafel, hinter denen sich doch nur die üblichen unsolidarischen Egoismen voller Angst vor Fremden verstecken.

Demokratie oder Notwendigkeiten

Tatsächlich krankt die Feuerwehrkonstruktion ESM wie viele andere europäische Belange daran, dass Gewaltenteilung ignoriert, parlamentarische Willensbildung und Verantwortung unterminiert oder ganz verhindert werden. Der durchaus beachtliche Erfolg der österreichischen Grünen, dieser Tendenz entgegen zu wirken, ist europaweit möglicherweise aber doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Sorge bleibt, dass die Macht immer weniger vom Volk ausgeht und die Bedürfnisse der Menschen im Wettstreit mit den "Notwendigkeiten" einer wild gewordenen Wirtschaftsunordnung unterliegen.

System oder Symptom

"Wir unterstützen Großbanken, indem wir europäische Schuldenrisken auf alle Menschen verteilen", hat die Grüne Wirtschaft kritisiert. Das ist sowohl wahr als auch trivial. Der ESM ist ein Instrument des Systems, das mit Mitteln des Systems eben dieses System aufrecht erhalten soll. Dazu gehört die Privatisierung von Gewinnen und die Sozialisierung von Verlusten. Jeder Versuch, mehr als die schärfsten Kanten zu glätten, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, da sonst das konservative Ziel des Instruments torpediert werden würde. Wer mehr als Linderung von Symptomen will, darf sich nicht auf Unzufriedenheit mit Verhandlungsergebnissen beschränken, sondern muss den politisch schwierigeren Weg gehen: Alternative Gegenkonzepte zur heutigen unsolidarischen und extrem kapitaldominierten Wirtschaftsordnung entwickeln. Die Rechten haben es einfacher. Ihre populistische Ablehnung ist Konzept für sich und bedarf keines Nachdenkens.

Freud oder Leid

Der ESM ist ein Werkzeug, nicht sympathisch, strukturerhaltend, gefährlich, schlecht gestaltet. Wahrscheinlich notwendig, weil es bis zu einer besseren Gesellschaft noch eine wenig dauern dürfte und der Weg dorthin freudvoll und nicht leidvoll sein soll. Aus der gegenwärtigen Not der Mächtigen heraus sind - mit dem Mitmachen teuer erkauft - einige kleine Schritte in Richtung einer besseren Welt gelungen, andere nicht. Das Ringen um die großen Änderungen findet anderswo statt.

Ja, der ESM ist "Teufelszeug". Ob es ein politischer Fehler ist, sich auf ihn einzulassen, wird die Zukunft zeigen. Kriterium zur Verdammung der grünen MandatarInnen ist er nicht. (Wolfgang Jilek, derStandard.at, 5.7.2012)