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Stimmzettel, bereit zur Neuauszählung.

Foto: Reuters/Henry Romero

Nach Betrugsvorwürfen hat in Mexiko die Nachzählung zahlreicher Stimmzettel der Präsidenten- und Parlamentswahl begonnen. Die Nachprüfung findet in Stimmbezirken statt, wo das Ergebnis besonders knapp ausfiel oder wo es mehr ungültige Stimmzettel gab als Stimmen, die den Erst- vom Zweitplatzierten trennten.

Eine komplette Neuauszählung der Stimmzettel, wie sie der bei der ersten Auszählung unterlegene Linkskandidat Andrés Manuel López Obrador verlangt, lehnt die Wahlbehörde IFE allerdings ab. Immerhin werden aber statt eines anfangs zugesagten Drittels nun mehr als die Hälfte der Stimmzettel überprüft.

Ob dies eine Veränderung des Wahlergebnisses bringen wird, ist zweifelhaft: Mexiko hat eine lange Tradition des Wahlbetrugs, und Manipulationen bei der Auszählung sind nur eine der vielen Möglichkeiten, ein Resultat in die gewünschte Richtung zu verändern.

Die "schwangere Urne"

Eine beliebte Taktik ist, die Behälter bereits vor Beginn der Abstimmung mit bereits ausgefüllten Stimmzetteln zu füllen. Dieses Verfahren ist bei einer Neuauszählung nicht nachzuweisen, Hinweise darauf sind starke Unterschiede zwischen Exit Polls und dem Auszählungsergebnis.

Der "Stimmzettel-Taco"

Ebenfalls durch auffällige Differenzen zwischen Nachwahlbefragung und Endergebnis fällt auf, wenn ganze Pakete oder Rollen gefälschter Stimmzettel im Nachhinein in die Urne geworfen werden. Eine andere Taktik ist, Wähler mit Autobussen zu Wahllokalen zu bringen, in denen eine Mehrheit des Gegenkandidaten erwartet wird. Ähnlich der österreichischen Wahlkarte ist es in Mexiko möglich, seine Stimme außerhalb des Wohnortes abzugeben.

Allerdings ist die Anzahl der Stimmzettel begrenzt. Wenn die bezahlten Wähler also bereits am Morgen ihre Stimmen abgeben, bleiben für die Einheimischen keine Stimmzettel mehr übrig. Auf dem Land ist es auch durchaus üblich, dass Wähler gegen Bargeld ihren Ausweis für einen Tag "herleihen" und sich dann nicht einmal um die Stimmabgabe kümmern müssen.

Manipulationen dokumentiert

Bei der Wahl am Wochenende wurden erstmals zahlreiche Manipulationen mit Video- und Mobiltelefonkameras dokumentiert. So soll die Supermarktkatte Soriana für PRI-Wähler Wertkarten ausgegeben haben, die mit hundert bis 700 Pesos (sechs bis 42 Euro) aufgeladen waren. Zahlreiche Videos dokumentieren am Montag nach der Wahl lange Warteschlangen an den "Soriana"-Kassen - alle Kunden wollen mit der Karte bezahlen. Im den Distrikten Iztapalapa und Ecatepec wurden am Mittwoch zahlreiche Regale in der örtlichen "Soriana"-Filialen leergekauft , zwei Filialen mussten mittlerweile wegen des massiven Andrangs geschlossen werden.

Die NGO "Alianza Civica", die die Wahl beobachtet hat, berichtet dass in 21 Prozent der besuchten Lokale das Wahlgeheimnis missachtet wurde. In zahlreichen Fällen hätten Kinder zwischen 8 und 10 Jahren mehrere Wähler in die Kabine begleitet, um ihr Abstimmungsverhalten zu kontrollieren. 28.4 Prozent der Befragten gaben an, vor der Wahl unter Druck gesetzt worden zu sein.

Die meiste Erfahrung bei der Wahlmanipulation hat die PRI-Partei, die sich unter anderem durch den Einsatz zweifelhafter Mittel 70 Jahre lang an der Macht hielt. In der "Alianza Civica"-Umfrage gaben 71 Prozent der Betroffenen an, auf sie sei Druck in diese Richtung ausgeübt worden, nur 17 Prozent meldeten Beeinflussungsversuche durch die PAN, neun Prozent durch Linkspartei PRD. (Bert Eder, derStandard.at, 5.7.2012)