Der Notruf kam von höchster Stelle. "Wir stehen vor dem finanziellen Kollaps", warnte Alessandro Pansa. Der Prefetto ist Chef der Straßen- und Bahnpolizei, und befehligt den Grenzschutz sowie andere Sondereinheiten der italienischen Polizei.

Sie alle haben eines gemeinsam: kein Geld. Streifenwagen bleiben in der Garage, weil die Mittel für Ersatzteile fehlen, Geräte können nicht gewartet werden.

Sammelaktion

In Reggio Emilia sammelten Polizisten von freiwilligen Spendern 650 Euro, um die Reparatur ihres Dienstwagens bezahlen zu können. Im sardischen Nuoro rückt die Straßenpolizei zu Beginn der Urlaubssaison nicht mehr aus. Der Grund: Benzinmangel.

In Venedig sind 17 der insgesamt 20 Polizeiboote nicht einsatzfähig, weil das Geld für die Reparatur fehlt. In Varese mussten nach einem Unfall mit Fahrerflucht die Carabinieri gerufen werden, weil in der gesamten Provinz nur ein Streifenwagen der Straßenpolizei im Einsatz war.

Die autonome Polizeigewerkschaft "Sindacato Autonomo de Polizia" (SAP) hat das Innenministerium geklagt, weil die Bahnpolizei seit zwei Jahren vergeblich auf 13 Millionen Euro wartet. In Neapel wurde einem Kommissariat die Unterkunft gekündigt, weil die Miete seit Monaten nicht bezahlt worden war.

Die unbezahlten Telefonrechnungen der Polizeidienststellen zwischen Brenner und Sizilien belaufen sich auf mehrere Hundert Millionen Euro. Pansa bezeichnet die Situation als unhaltbar: "Uns fehlt das Geld zur Abschiebung der illegalen Einwanderer. Auch für die geplante Errichtung neuer Auffanglager fehlen die Mittel."

Kritik an Regierung

"Unsere Uniformen stammen aus dem Jahre 1997", klagt der Gewerkschafter Vincenzo Acunzo. "Der Unmut unter den Polizisten wächst täglich." Seit Monaten wartet die Exekutive vergeblich auf die 1000 versprochenen Neuaufnahmen. "Jemand muss uns glaubhaft erklären, warum das Budget des Innenministeriums bereits zur Jahreshälfte erschöpft ist", fordert der Chef der Polizeigewerkschaft "Sindicato Unitario Lavaratori Polizia" (Siulp), Oronzo Cosi.

Das Innenministerium sieht in der ganzen Aufregung nur "haltlose Polemiken". Die Polizisten in Palermo sehen das anders. Sie müssen seit einigen Tagen zu Hause essen: Die Mensa in der Polizeistation wurde geschlossen, weil die Lieferfirmen seit Monaten nicht mehr bezahlt werden.(DER STANDARD, Printausgabe, 25.6.2003)