Franz Antel

Foto: STANDARD/Cremer

Am Freitag (27.6.) feierte er seinen 90. Geburtstag; am Mittwoch hat er "Bockerer 4" abgedreht: Altregisseur Franz Antel im Gespräch mit Claus Philipp - über unveränderte Lebens- und Denkgewohnheiten, den Kulturauftrag des ORF und das schöne Gefühl, bevorzugt zu werden.


STANDARD: Was bedeutet das für Sie, 90 zu werden?

Antel: Na, eine Freude. Ich nehm’ das Alter aber nicht zur Kenntnis, ehrlich gesagt. Ich habe meine Lebensgewohnheiten nicht geändert, denke so wie vor 20, 30 Jahren und habe Pläne für die nächsten Jahre. Da ist "90" nur der Zuckerguss. Ich steh weiter jeden Tag auf, mache jeden Morgen 25 Kniebeugen. 25 Jahre hindurch habe ich täglich ein Drittel Aspirin genommen, für die Blutverdünnung. Das nehm' ich jetzt nicht mehr. Eigentlich nehm' ich gar keine Medikamente derzeit, außer ein Vitaminpräparat. Und was brauch' ich sonst? In der Früh noch einen Becher Joghurt und am Abend meine zwei, drei Vierterln Weißwein. Das scheint mir gut zu tun.

STANDARD: Was war, wenn Sie sich erinnern, Ihr erstes einschneidendes Erlebnis?

Antel: : Meine zweite Geburt. Krieg auf Kreta. 3000 sind umgekommen, 90 haben überlebt. Ich war einer von den Überlebenden. Von 16 Schiffen sind 15 untergegangen. Ich konnte mich auf das 16. retten. Eine Nebengeschichte: In Sofia hatte ich mir einen Mantel machen lassen: außen Leder, innen weißes Schaffell. Der war noch nicht fertig, und ich hatte den Schein zum Abholen in der Tasche. Sie werden lachen: Als das Schiff unterging, dachte ich: "Scheiße, jetzt kann ich mir den Mantel nicht mehr abholen."

Ich denke viel an meine Jugend zurück. Ich bin ein typischer Österreicher. Sieben Jahre habe ich in Berlin gelebt, fünf in München, dann in Rom - aber Wien ... Obwohl mich bekanntlich die Presse immer schlecht behandelt hat.

STANDARD: Das war für Sie aber offenkundig eher motivierend.

Antel: Genau. Ich sag' immer: "Schreibt schlecht über mich. Das bringt mich dazu, weiter erfolgreich zu sein." Das Schicksal hat mir Recht gegeben. Über 100 Filme habe ich gemacht. Alle Leute, die mich kritisiert haben, sind schon tot. Ich überlebe alle Intendanten, alle Generaldirektoren. Wie habe ich bei der Verleihung der Romy gesagt: "Zuerst dankt man bei so einem Anlass seiner Mutter. Die ist tot. Dann dankt man seinen Vorbildern. Die sind tot. Und dann dankt man den Kritikern, die einen verrissen haben. Die sind auch schon tot." Das war der größte Lacher.

STANDARD: Was ist denn für Sie die Essenz von "Österreich"?

Antel: Alles. In der Früh, wenn ich aufsteh' und die Sonne scheint beim Fenster herein. Das Klima. Die Menschen. Die Mentalität. Ich hab’ ein Herz für Wien. Das kann ich nicht erklären. Man sieht das ja auch in meinen Filmen, mit denen ich immer versucht habe zu unterhalten. Dafür hieß es dann: "Der Kommerzfilmer." Es ist aber keine Schande, mit Film Geld zu verdienen. Filme für die Schublade habe ich nie gemacht. Heute werden Filme hergestellt, die im Kino ein paar Tausend Zuschauer haben. Das ist nicht meine Zeit.

STANDARD: Der Bockerer III war im Kino aber auch nicht rasend erfolgreich.

Antel: Das stimmt. Heutzutage sollte man gewisse Filme fürs Volk auch ausschließlich für das Fernsehen produzieren. Ich garantiere Ihnen, auch Bockerer 4 wird wieder 1,2 bis 1,3 Millionen TV-Zuseher haben. Das ist mein Stammpublikum. Da sind viele Ältere dabei. Ich versteh' ja diese Fernsehpäpste nicht, die sagen, heute müsste man bevorzugt die 19- bis 25-Jährigen beliefern. Die haben doch eh kein Geld. Die Alten haben ein Geld.

Ich finde es wahnsinnig, wenn der ORF heute Formate wie Starmania produziert, die dann auch nichts kosten, weil eine Telefonfirma das sponsert, damit nachher mehr Leute anrufen. Das ist pervers. Wo bleibt der Kulturauftrag?

STANDARD: Was ist das für Sie: Kultur im Fernsehen?

Antel: Etwas, das lehrreich ist. Und unterhaltend. Kulturell wesentlich. Etwas, das dazu beiträgt, mich aufzumuntern.

STANDARD: Ab wann wollten Sie eigentlich zum Film?

Antel: Schon als Zehnjähriger hatte ich eine Schmalfilmkamera. Da habe ich zum Beispiel bei einem Pfadfinder-Lager gedreht. Ich wollte immer nur: Film. Dabei war mein Vater ein braver Beamter, der gern gesehen hätte, dass ich auch in den Staatsdienst gehe.

STANDARD: Was macht für Sie einen guten Regisseur aus?

Antel: Er muss mit Menschen umgehen können. Er muss ein derart wunderbares Team bilden, dass am Ende der Dreharbeiten alle Tränen in den Augen haben. Und er muss wissen, was er tut und was die anderen können.

Wenn ich einen Schauspieler engagiere, bin ich überzeugt, dass er gut ist. Dann rede ich ihm auch nichts drein. Bei mir ist ja der Film eigentlich am ersten Drehtag schon fertig. Ich habe am Buch mitgearbeitet, ich habe die Schauspieler und die Motive ausgesucht. Ich kenne jeden Meter Film, den ich drehen werde. Ich weiß genau, was ich will. Und so bringe ich jeden Film auch finanziell über die Runden. Sicher: Ich habe auch viele schlechte Filme gemacht. In einer Zeit, als Sexfilme gemacht wurden, habe auch ich Sexfilme gemacht, harmlose, aber das hat meine Firma und mich ernährt.

STANDARD: Wie wichtig war und ist es für Sie, zur "Seitenblicke"-Gesellschaft zu gehören?

Antel: Sehr wichtig. Ich liebe Freundschaften. Und es freut mich, anerkannt zu werden.

STANDARD: Ist das ein Bedürfnis oder eine Notwendigkeit?

Antel: Ein Bedürfnis. Ich suche das. Da fühle ich mich wohl. Ich mag das, wenn ich auf die Straße gehe und der erste Polizist sagt: "Morgen, Herr Antel. Wie hat gestern die Vienna gespielt?" Ich werde überall bevorzugt, bin mit allen Politikern per Du.

STANDARD: Wer ist für Sie der achtbarste Politiker?

Antel: Mit dem Waldheim bin ich bekanntlich gut befreundet. Und ich finde es eine Schande, was Amerika mit ihm macht. Heute bin ich auch ein Fan von Erwin Pröll. Den halte ich für einen hervorragenden Mann.

STANDARD: Was leistet der?

Antel: Er macht sehr viel. Jetzt im Sommer gibt es zum Beispiel 21 Festspielorte in Niederösterreich!

STANDARD: Aber er liest angeblich kein Buch.

Antel: Das braucht er nicht. Wer hat denn je ein Buch gelesen und Erfolg gehabt? In der Beziehung bin ich ja leider auch sehr berechenbar: Ich mache keine Kunst. Ich unterhalte mich mit den Leuten. Ich will gut leben. Ich lache gerne und weiche allen Problemen aus. Damit bin ich immer gut gefahren.

STANDARD: Sie haben eine ziemlich direkte Art, über sich zu sprechen.

Antel: Ich kann mir das leisten. Ich kann sogar den Bundespräsidenten beschimpfen. Ich bin der Antel.

STANDARD: Und wenn jetzt jemand meint, das sei zynisch?

Antel: Nein, das ist nicht zynisch. Das ist ehrlich. Sachlich. Ich bin ein sachlicher Mensch. Ein sachlicher Mensch, der gerne lacht. Ich bin mit dem Finanzminister auf gutem Fuß: Ich habe keine Schulden. Ich bin mit der Kirche in Ordnung: Ich geh' zwar nicht in die Kirche, aber ich bin gläubig. Ich bin mit allen Politikern per Du. Was soll mir passieren? Ich lebe herrlich.

STANDARD: : Die Institutionen sind Ihnen gewogen, aber eigentlich sind sie Ihnen egal?

Antel : Ich brauche sie nicht. Aber ich pflege die Beziehungen. Es ist gut, das heute so sagen zu können. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.6.2003/red)