Die Aufklärung hat sich im Vatikan ohnehin nie durchgesetzt. Derzeit aber werden die letzten Reste jener Aufhellung weggedunkelt, für die das Vaticanum II in den 1960er-Jahren die Quelle war.

Der polnische Papst hat Schritt für Schritt Befreiungstheologen gestoppt und konservative Bischöfe ernannt. Seine persönliche Offenheit und sein politischer Mut überstrahlten die Verfinsterung.

Dem deutschen Papst fehlt diese Strahlkraft. Von ihm ist kein Lachen zu erwarten, sein Lächeln wirkt immer gequälter, wenn nicht überhaupt gespielt. Denn er scheint sich mittlerweile von Feinden umgeben zu fühlen, so als stünde die Engelsburg mitten im Vatikan. "Vatileaks", die " Verschwörung", hat den alten Mann nicht nur misstrauisch, sondern auch einsam gemacht.

Einem Fehler, den Mächtige oft begehen, ist er nicht erlegen. Sich mit Schwachen zu umgeben. Papst Benedikt XVI. hat zur Verstärkung einen streitbaren und umstrittenen Deutschen als Glaubenshüter in den Vatikan geholt.

Neues Amt um Pius-Brüder nicht zu vergrätzen

Der bisherige Regensburger Bischof und ehemalige Dogmatikprofessor Gerhard Ludwig Müller ist streng konservativ. Er ist gegen Toleranz für geschiedene Wiederverheiratete ("eine parasitäre Existenzform"), gegen Frauen als Priesterinnen und gegen jedes Entgegenkommen an Homosexuelle. Die Berichterstattung über kirchliche Missbrauchsfälle erinnere ihn "an die Kirchenfeindlichkeit der Nazizeit". Damit ist der Kurs der Kirche für Jahre fixiert.

Müller toleriert keinerlei Abweichung. In seiner Ablehnung der deutschen Ungehorsamsbewegung stimmt er mit dem Papst überein. Nicht zu passen scheint Benedikt, dass die neue Nummer drei im Vatikan auch die reaktionären Pius-Brüder (und alle politischen rechtsextremen Gruppierungen) immer wieder kritisiert.

Offenbar um die Kräfte rund um den Holocaust-Leugner Williamson nicht zu vergrätzen, hat der Papst ein neues Amt geschaffen: Der amerikanische Dominikaner Joseph Augustine Di Noia soll als Vizepräsident der Kommission "Ecclesia Dei" für den "Dialog" mit der Piusbuderschaft zuständig sein.

Konsequent im Sinne des Trends gegen jede Form der Aufklärung scheint die Entfernung eines slowakischen Bischofs zu sein. Der erst 52-jährige Oberhirte von Trnava, Róbert Bezák, wurde vom Papst ohne Angabe von Gründen abgesetzt. Die einen sagen, er habe die Finanzen seines Vorgängers einer Untersuchung unterziehen wollen, die anderen behaupten, der Redemptoristenpater Bezák sei Erneuerungsbewegungen à la Pfarrerinitiative in Österreich zu nahe gestanden.

Vielleicht ist diese begründungslose Absetzung bereits ein Teil der neuen vatikanischen Kommunikationsstrategie. Auch dafür wurde nämlich ein Posten geschaffen - der bisherige Rom-Korrespondent des US-Senders Fox News, Greg Burke, 52, ein bekennendes Opus-Dei-Mitglied, ist neuer " Mediendirektor" im Vatikan. Fox News ist ein Parteisender der Republikaner und verfocht militant die (Kriegs-)Politik des US-Präsidenten George W. Bush. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 9.7.2012)