>Es gibt viele gute Gründe, warum es für die Republik besser wäre, wenn Jörg Haider nicht an die Spitze der FPÖ zurückkehren würde: sein Lob für SS-Veteranen; sein salopper Umgang mit dem Nationalsozialismus; sein demonstrativ freundschaftlicher Kontakt zu Saddam Hussein; das Auf-die-Spitze-Treiben der politischen Agitation hart an die Grenze der Denunziation von Gegnern - es hat ihn (und oft das ganze Land) weltweit in Verruf gebracht. Das ist sattsam bekannt.

Aber der blaue Verführer hat eben auch enormes politisches Talent und Ausstrahlungskraft. Solange er politisch aktiv ist, wird er seine Partei dominieren - direkt oder indirekt. Das mag eine unangenehme Perspektive sein. Sich dieses Faktum wegzuwünschen zeugte aber von wenig Realitätssinn. Eine FPÖ ohne Jörg Haider als Zentralfigur existiert nicht. Es hat sie seit 1986 nie gegeben. Jene, die nach der Bildung der schwarz-blauen Koalition behauptet haben, der Kärntner aus Oberösterreich sei überwunden, seine Geschöpfe Susanne Riess-Passer, Peter Westenthaler oder gar der spätere "Flüchtling" Karl-Heinz Grasser seien Garanten einer "neuen FPÖ", wollten vor allem der ÖVP propagandistisch unter die Arme greifen - und deren Machtanspruch rechtfertigen. Genau darin steckt eine folgenreiche Lebenslüge als Prinzip von Schwarz-Blau.

Tarnen und täuschen: Das ganze öffentliche Leben scheint eingetaucht in einen unguten Nebel aus Unwahrhaftigkeit, Arroganz der Macht, Packelei und Schlawinertum. Kann (oder will) sich irgendwer vorstellen, dass die Regierung noch Jahre derart dahintaumelt? Eben. Jörg Haider soll endlich seine Feigheit aufgeben, als Parteichef antreten und auch formal ins Zentrum der schwarz-blauen Koalition rücken. Das wird nicht lange gut gehen. Aber man weiß dann wenigstens, woran man ist. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.6.2003)