Es ist schlimm in Wien, um nicht zu sagen: Es ist die Hölle. Zustände wie in einem Bild von Hieronymus Bosch, Anarchie und Chaos. Rot-Grün diktiert in der Stadt. Das darf der Bevölkerung nicht länger verheimlicht werden.

Die ÖVP hat sich deswegen ein Argumentarium gebastelt, das die Spitzenfunktionäre mit dem richtigen Drall mit der konservativen Wahrheit versorgen soll. Endlich tut jemand etwas gegen dieses Rot-Grün. "Ja zu Österreich heißt Nein zu Rot-Grün", heißt es in der ÖVP-Fibel.

Dieses Argumentarium wird jedoch keinem ÖVP-Funktionär nutzen. Die größere Gefahr als Rot-Grün für die ÖVP ist die ÖVP selbst. Rot-Grün auf Bundesebene ist schon rein rechnerisch derzeit keine Option. Wähler werden im nun beginnenden Nationalrats-Wahlkampf nicht über ein Schreckgespenst Rot-Grün informiert werden wollen, sondern werden Fragen nach den korrupten Vorgängen in der ÖVP-Regierungszeit (seit 26 Jahren durchgängig an der Regierung beteiligt) stellen. Wähler werden die Funktionäre nach Grasser, Strasser oder Martinz fragen. Und werden wissen wollen, welche Konsequenzen die Volkspartei aus den Fehlern der Vergangenheit gezogen hat. Die Antworten werden dünn ausfallen.

Dass Rot-Grün als das Böse schlechthin skizziert wird, zeigt, wie entrückt die Kommunikationspolitik der Volkspartei von ihren Wählern ist. Anstatt die eigenen moralischen und inhaltlichen Positionen zu überdenken, wird gegen ein scheinbares Bedrohungsszenario gewettert.

Die ÖVP hat bislang eine bombenfeste Position. Treten Verfehlungen bei Parteimitgliedern auf, wird mit Rücktritten gegeizt. Passt den Konservativen eine Position nicht, so ist sie ein "Anschlag auf die Gesellschaft", wie ÖVP-Generalsekretär Johannes Rauch die angeblichen Vorhaben von Rot-Grün auf seiner Facebook-Seite nennt. Es sei die Pflicht der ÖVP, die Bevölkerung über die "Gefahren einer rot-grünen Koalition" zu informieren, sagt ÖAAB-Generalsekretär Lukas Mandl in einer Aussendung.

In diesen Betonismus passt auch, dass die Volkspartei eine Expertengruppe zunächst dazu einlädt, sich über die Zukunft des Landes Gedanken zu machen. Sobald diese aber Ergebnisse zur Schulpolitik präsentiert, die nicht der Parteilinie entsprechen, wird von dieser Expertengruppe wieder Abstand genommen.

Eine gesunde konservative Partei ist wichtiger denn je. Im nächsten Wahlkampf könnten mit FPÖ, BZÖ und einer Stronach-Partei gleich drei rechte oder populistische Gruppierungen antreten. Eine ÖVP, die nicht gefestigt ist, wird im Wahlkampf in den Hintergrund gedrängt werden.

Die eigentlichen Probleme innerhalb der Volkspartei werden so aber nicht angegangen. So, wie der Untersuchungsausschuss die Jahre von Schwarz-Blau beleuchtet, muss die ÖVP einen Reformprozess durchlaufen. Im Moment nähert sie sich rhetorisch der FPÖ an.

Der ÖVP ist es wichtig zu regieren, das hat man in den letzten 26 Jahren gesehen. Zur Not auch mit der FPÖ. Wohin diese Option geführt hat, kann man derzeit allwöchentlich im Budgetsaal des Parlaments, dem Ort des Untersuchungsausschusses, beobachten. Es war eine teure Option. (Sebastian Pumberger, derStandard.at, 11.7.2012)