Die AbfallberaterInnen wollen keine "48er-Wegwerfartikel" sein.

Foto: Initiative Abfallberatung Wien

Zeitlich begrenzte Werkverträge, kein gesichertes Einkommen und teilweise Willkür bei der Vergabe von Aufträgen: Die Beschäftigungssituation der AbfallberaterInnen der Stadt Wien ist prekär. Nun steigt der Großteil der 31 Personen, die in der Abteilung der MA 48 tätig sind, auf die Barrikaden. In einem offenen Brief an die politischen Verantwortlichen der Stadtregierung, der Gewerkschaft und des Magistrats fordern sie faire Verhältnisse und eine Anstellung.

Seit der Einführung der Mülltrennung in den 1980er Jahren gibt es in Wien die Abfallberatung. Die MitarbeiterInnen der Abteilung bieten Workshops für Schulklassen und Gruppen an, betreuen Informationsstände des Magistrats und beantworten am Misttelefon Fragen der BürgerInnen. Nach dem Wiener Abfallwirtschaftsgesetz ist die Existenz der Abteilung für die Stadt Wien verpflichtend. Doch nicht alle gesetzlichen Vorgaben werden bei den AbfallberaterInnen erfüllt.

Keine finanzielle Sicherheit

"Der Gang an die Öffentlichkeit war einer der letzten Auswege, um eine Einigung zu erzielen", sagen Paul* und Verena* im Gespräch mit derStandard.at. Bereits seit mehreren Jahren sind die beiden in der Abfallberatung tätig und arbeiten, wie alle anderen, auf Basis von zeitlich begrenzten Werkverträgen. Das bedeutet, dass sie Sozialversicherung, Gewerbeschein, Einkommensteuer und Haftpflichtversicherung selbst bezahlen müssen. Ein fixes Grundgehalt haben sie nicht. 

"Alle zwei Wochen gab es in der Abteilung einen Jour fixe, bei dem die anstehenden Termine vergeben wurden", erzählt Verena. Die BeraterInnen mussten dann per Handzeichen signalisieren, ob sie den Termin übernehmen können. Vor allem in den Wintermonaten ist die Auftragslage allerdings schlecht, und die Beschäftigten waren von der Sympathie der Referatsleitung abhängig, ob sie einen Termin wahrnehmen durften oder nicht. Dabei hatten manche eine Auslastung von etwa 40 Stunden pro Woche, und manche mussten kämpfen, um 20 Wochenstunden zu erreichen.

Dienstverträge "unter jeder Kritik"

Nacht-, Wochenend- und Wochenstunden wurden mit 17 Euro pro Stunde ident bezahlt. Nur außergewöhnliche Tätigkeiten wie das Betreuen des Misttelefons oder das Abhalten von Schulstunden in einer AHS wurden mit 19,70 Euro besser entlohnt. Beide Stundensätze sind Bruttobeträge, abzüglich aller selbst abzuführenden Abgaben. Der Widerstand gegen die Beschäftigungssituation regte sich aber erst Ende 2011, als die einjährigen Werkverträge ausliefen und nur noch dreimonatige vorgelegt wurden. "Uns wurde allerdings immer versichert, dass sich für niemand etwas verschlechtern würde", sagt Paul. "Es werde nur ein paar Änderungen geben."

Die neuen Kurzverträge wurden im April 2012 schließlich bis inklusive Juli verlängert. Gleichzeitig wurden zehn AbfallberaterInnen zu Gesprächen eingeladen, ihnen wurde ein Dienstvertrag angeboten und ein Sprechverbot darüber auferlegt. "Die Verträge waren unter jeder Kritik", sagt Verena. Ohne Anrechnung der Vordienstzeit und "zur handwerklichen Verwendung" sollten die BeraterInnen angestellt werden. "Und das, obwohl fast alle AkademikerInnen sind oder zumindest das Bakkalaureat haben", erzählt die junge Frau. Außerdem sollten sie nur das geringe Grundgehalt der Stadt Wien ohne jegliche Zulagen erhalten.

Einzel- statt Gruppengespräche

Daraufhin suchten die AbfallberaterInnen Kontakt zu den Verantwortlichen des Magistrats und schrieben einen internen Brief. Die angebotenen Einzelgespräche lehnten sie allerdings ab: "Wir wollten uns nicht auseinanderdividieren lassen und boten Gruppengespräche an", sagt Paul, "oder wollten zumindest eine Delegation zu den Gesprächen mit den Vorgesetzten entsenden." 

Ulrike Volk von der MA 48 erklärt allerdings im Telefongespräch mit derStandard.at, dass "wir keine Verträge mit der Gruppe, sondern mit Einzelpersonen haben. Gruppengespräche stehen somit nicht zur Diskussion." Außerdem fügt sie hinzu, dass der Magistrat "das Thema nicht über die Medien austragen will und an einer konstruktiven Lösung interessiert ist".

Fünf Personen distanzierten sich

Auch Paul und Verena sind noch positiv gestimmt, dass es zu einer Einigung kommt: "Immerhin machen wir unseren Beruf gerne." Das ist allerdings im Moment, trotz aufrechter Werkverträge, nicht einfach. "Als sich der Widerstand regte, wurde begonnen, in unseren Terminen herumzustreichen", erzählt die Abfallberaterin. "Verdächtige Personen" hätten keine Aufträge mehr bekommen, sie selbst sei de facto "seit drei Wochen arbeitslos".

Nur fünf MitarbeiterInnen, die sich von dem offenen Brief distanzierten, sind noch in der Abteilung tätig. Das bestätigt auch Volk von der MA 48: "Im Moment gibt es einfach nicht mehr Bedarf. Auch in Zukunft werden mehr Tätigkeiten von der MA 48 selbst oder von anderen Partnern übernommen werden."

Die Hoffnungen von Verena und Paul ruhen nun auf der Gewerkschaft für Gemeindebedienstete, Kunst, Medien, Sport und freie Berufe, der die BeraterInnen fast geschlossen beigetreten sind. Der Vorsitzende, Christian Meidlinger, versucht Gespräche mit den politisch Verantwortlichen herbeizuführen. Bisher ohne Erfolg, sagt Thomas Kerschbaum. Er ist der Bundessprecher der zweitstärksten Fraktion in der Gewerkschaft (der Konsequenten Interessenvertretung - Unabhängige GewerkschafterInnen) und antwortete auf den offenen Brief der AbfallberaterInnen.

Keine Reaktion der Stadträtin

Im Gespräch mit derStandard.at bekräftigt er seine Unterstützung der Beschäftigten und sieht "das Problem der Umgehungsverträge und der sogenannten Kettenverträge". Sowohl nach österreichischem Arbeitsrecht als auch nach einer Richtlinie der Europäischen Union seien "immer wieder befristet abgeschlossene Beschäftigungsverhältnisse nur unter besonderen Bedingungen möglich". 

Zudem hätten die AbfallberaterInnen in den vergangenen Jahren regelmäßig Tätigkeiten ausgeübt, die "eindeutig einem regulären Dienstverhältnis zur Stadt Wien entsprechen". Kerschbaum fordert die Stadt deshalb auf, sich gemäß dem Regierungsübereinkommen "zur Erfüllung aller arbeitsrechtlichen Standards zu bekennen".

Das Büro der zuständigen Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) will das Thema nicht kommentieren und verweist auf die Zuständigkeit der MA 48. Die Zeit läuft vor allem für die AbfallberaterInnen, deren Verträge Ende des Monats auslaufen. "Was ich dann machen soll, weiß ich nicht", sagt Paul, und Verena nickt. (Bianca Blei, derStandard.at, 12.7.2012)