Klagenfurt - Wo viele Geldgeber, da viele Redner. Wo viele Redner, da das edle Trachten, das immer Gleiche immer neu zu sagen: literarische Anstrengungen gewissermaßen. Was im Fall der Tage der deutschen Literatur, die am Mittwochabend in Klagenfurt eröffnet wurden, ja durchaus Sinn macht. Der Prolog, den Politiker, ORF-Funktionäre und Sponsoren den Lesungen voranstellten, hatte denn auch durchaus eine Qualität, die für die nächsten Tage Hoffnung macht.

Allein die Herzlichkeit, mit der der Kärntner ORF-Landesintendant Willi Mitsche rund eine Viertelstunde lang jede anwesende Politgröße des Klagenfurter Stadtrates und der Militärkommandatur "mit besonderer Freude" begrüßte - zuletzt "natürlich auch die Autoren" - verlieh der Veranstaltung eine persönliche Note. Gerhard Draxler, der aus Wien angereiste Vorgänger Mitsches und nunmehrige Informationsdirektor des ORF toppte erwartungsgemäß, indem er nun auch die "Partnerin des Militärkommandanten" aufs Herzlichste willkommen hieß in "Zeiten, die für die Kultur und die Literatur im Besonderen noch härter geworden sind".

Europameisterschaft

Mario Canori, Unterwäschehändler, Vizebürgermeister und neuerdings Kulturreferent der Stadt hingegen war "erst jetzt", gewissermaßen während seiner Rede, "bewusst geworden, welches Juwel" Klagenfurt mit der "Europameisterschaft" im Lesen beherberge, auf das "wir in Klagenfurt sehr stolz sind". "Das hat mir sehr imponiert."

Herzlich beklatschte die anwesende Betriebsamkeit denn auch Gert Jonkes luzid sich in den Reigen verwirrende Klagenfurter Rede, in der der Kärntner Autor und erste Bachmann-Preisträger vor 27 Jahren das Missglücken des Wettlesens imaginierte. Die "Auslosung der Startnummern" für "die teilnehmenden Dicht-Athleten" verhindere das Nichteintreffen des Notars. Durch die Verzögerung aber offenbare sich die "Kluft zwischen Literatur und Literaturbetrieb", in deren Folge die "Literatur als lästiges Anhängsel bald abgeworfen" werde.

Welchen Rang die deutschsprachige Literatur in der nach ihr benannten Veranstaltung tatsächlich noch einnimmt, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.

Erweiterte Jury

Donnerstagfrüh wagten sich die ersten der nunmehr 18 Autoren vor die von sieben auf neun Mitglieder erweiterte Jury, die sich, mit Ausnahme von Burkhart Spinnen und Leiterin Iris Radisch, aus Autoren (Josef Haslinger, Friederike Kretzen, Ilma Rakusa), Literaturkritikern (Daniela Strigl, Thomas Steinfeld, Ursula März) und Literaturwissenschaftern (Norbert Miller) zusammensetzt, die diese Funktion erstmals in Klagenfurt bekleiden.

Was die Organisatoren der Tage als Signal der Erneuerung verstanden wissen wollen. - Und was sich bislang in einer hörbar um Differenzierung bemühten Urteilsfindung bemerkbar machte - wenngleich Iris Radisch mehrfach eine "literarische Liga" diagnostizierte, die sich der Literaturkritik nach unten entzog.

Die Texte des ersten Vormittags deckten denn auch ein breites Spektrum ab: Eröffnete der in Hamburg praktizierende Psychiater Farhad Showghi in Die große Entfernung melancholisch mit zwanzig verrätselt-lyrischen Variationen einer Erinnerung an den abwesenden Vater der Kindheit in fremdem Land, folgte mit Norbert Müllers Huhn in der Suppe eine etwas harmlose Satire über die Produktionsbedingungen einer drittklassigen Wiener Off-Theater-Gruppe vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit dem Holocaust.

Christina Griebels Der Schlafanzug durchsetzte die Geschichte einer Beziehungsabhängigkeit mit stark religiösen Wahnbildern und die Schweizerin Christina Rinderknecht ließ in elf Uhr dreiunddreissig eine mittelmäßige Lokalreporterin von einem Autounfall erzählen, bei dem sie ein Kind überfuhr, Fahrerflucht beging, um anschließend, wie weiland Kleists Richter Adam, den Fall selbst zu recherchieren und auf der Reportage ihre Karriere zu begründen.

"Wettbewerbs-Literatur", das Urteil Thomas Steinfelds zu Griebel, charakterisiert denn auch den Auftakt der 27. Tage der deutschsprachigen Literatur als Ganzes recht gut. Mehr dazu im Wochenend-STANDARD. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.6.2003)