Designstudie zur Ouya

Foto: Ouya

Der Controller erinnert an die Gamepads für PlayStation und Xbox

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Studie zum Interface der Konsole

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Wie die nächste Konsolengeneration aussehen wird, ist derzeit eine der meist diskutierten Fragen in der Branche. Während Berichte über die nächste Xbox bestehende Hardware-Konzepte in Frage stellen, träumen andere bereits von der PlayStation in der Cloud. In jedem Fall werden sich Microsoft und Sony einiges einfallen lassen, um die Spielerschaft erneut für sich zu begeistern. Doch abseits dieser Zukunftsschwärmerei machte dieser Tage ein Projekt renommierter Industrievertreter auf sich aufmerksam, dass zumindest theoretisch das dazu Zeug hat, den Spielkonsolenmarkt auf den Kopf zu stellen: Die für 2013 geplante Konsole "Ouya" kostet nur 99 US-Dollar und verspricht einerseits Spielern den kostenfreien Zugang zu Games und andererseits Spieldesignern die offene und kostengünstige Entwicklung von Games. Dafür bedient sich das Ouya-Team einiger erprobter Konzepte und will es mit den Großen in der Industroe aufnehmen.

Was ist Ouya genau?

Um das Potenzial der Konsole besser einschätzen zu können, sollte man zunächst bei der Konsole selbst anfangen. Diese befindet sich derzeit in Entwicklung und wird 2013 für 99 US-Dollar am Markt zu haben sein. Der Beschreibung nach wird Spielkonsole an den Fernseher angeschlossen und ist für den Heimgebrauch gedacht. Zur Steuerung konventioneller Spiele wie "Shooter" oder Action-Adventure wird ein Controller ähnlich den Gamepads von PlayStation und Xbox mitgeliefert. Für Spielerlebnisse, wie man sie am Handy oder Tablet kennt ("Angry Birds", etc.), kann ein Touchpad genutzt werden.

Die Hardware der Konsole basiert auf einem Tegra3-Vierkernprozessor von Nvidia (bekannt von Tablets), einem 1 GB großen Arbeitsspeicher und 8 GB internem Flash-Speicher. Per WiFi 802.11 b/g/n gelangt man ins Internet, Bluetooth LE 4.0 dient für weitere Peripheriegeräte und per USB 2.0-Anschluss lässt sich eine Festplatte anschließen.

Was bedeutet das für die Spiele?

Den Eckdaten nach kann man sich damit Spiele auf einem technischen Niveau erwarten, wie man sie heute für moderne Tablets bekommt. "Infinity Blade 2" von Epic Games dürfte ein guter Richtwert sein. Unterstützt werden Auflösungen von bis zu 1080p, womit aktuelle HD-Fernseher wenigstens theoretisch voll ausgereizt werden können.

Die unterschiedlichen Steuerungsmöglichkeiten erlauben, dass man sowohl typische Konsolenspiele als auch Touchscreen-Games umsetzen kann. Da kein optisches Laufwerk in der Konsole verbaut wird und auch keine Slots für Spiecherkarten vorgesehen sind, werden Games ausschließlich als Download zu haben sein. Es liegt nahe, dass sich der interne Speicherplatz von 8 GB durch eine externe Festplatte erweitern lässt.

Offenheit entscheidend

Besonders macht die Ouya-Konsole aber nicht die Hardware, sondern die unkonventionelle Plattformstrategie. Die Entwickler haben sich dazu entschlossen, Googles offenes Mobile-Betriebssystem Android 4.0 als Basis zu nehmen und damit eine bereits etablierte Plattform zu unterstützen. Studios, die bereits Spiele und Apps für Android-Smartphones und -Tablets geschrieben haben, werden sich also rasch zuhause fühlen. Die Basis für die Entwicklung stellt das gewöhnliche Android-SDK (Software Developement Kit), hinzukommen noch Schnittstellen für die spezifischen Zahlungsmethoden und die Bewerbung von Games auf der Konsole. Dies hat den Vorteil, dass bereits existierenden Android-Games relativ unkompliziert für Ouya angepasst werden können und so recht bald ein breites Portfolio an Inhalten geboten werden dürfte. Wer noch weiter gehen will, darf die Konsole sogar ganz offiziell hacken und eigene Ideen für die Hardware umsetzen.

Diese Schnörkellosigkeit wird im geschäftlichen Umgang mit den Softwareentwicklern fortgesetzt. Die Entwicklung von Software ist lizenzfrei und es wird keine spezielle Testhardware zur Umsetzung von Games benötigt. Das ist ein großer Schritt am Konsolenmarkt. Wer für Sonys, Microsofts oder Nintendos Konsolen entwickeln will, muss einerseits teure Spezialhardware anschaffen und dann pro verkauftem Werk eine Lizenzgebühr in der Höhe von rund 20 Prozent an die Plattformbetreiber abgeben. Bei mobilen Geräten wie dem iPhone ist dies nicht viel anders: Mit jedem im App Store verkauften Programm wandert ein Drittel des Umsatzes an Apple.

Free2Play-Modell

Für Spieler hält Ouya eine ähnliche Überraschung bereit: Jedes verfügbare Spiel soll nach dem Free2Play-Modell kostenlos zugänglich sein. Die Einnahmen werden hierbei durch Verkäufe im Spiel lukriert. Will man sich etwa neue Gegenstände, Waffen, Ausrüstung oder Zusatzinhalte verschaffen, kann man dies durch Mikrotransaktionen erledigen.

Das Modell wird aktuell vor allem bei Online- und Mobile-Games eingesetzt, findet aber auch bei größeren Produktionen zunehmend Anklang. Im Juni prognostizierte Electronic Arts-COO Peter Moore, dass in fünf bis zehn Jahren zumindest die Mehrheit aller Games als Free2Play-Version verfügbar sein wird. Das deutsche Studio Crytek ("Crysis") kündigte unterdessen an, künftig nur noch Free2Play-Spiele umzusetzen. Dass das Geschäft mit Mikrotransaktionen funktioniert, bestätigte auch Ubisoft-Chef Yves Guillemont. Demnach würden "kostenlose" Titel wie "Die Siedler Online" heute bereits mehr einbringen, als viele im Handel vertriebene Werke.

Kluge Köpfe dahinter

Ausschlaggebend für den medial geäußerten Optimismus gegenüber Ouya ist das renommierte Team dahinter. Projekt-Gründerin ist Julie Uhrman, die bereits bei Vivendi oder IGN als Medienmanagerin tätig war und ihren eigenen Aussagen nach eine große Verfechterin von Konsolen-Games ist. Chef-Designer ist Yves Behar, bekannt vom "One Laptop Per Child"-Projekt. Weitere bekannte Personen in der Firmenspitze sind Ed Fries (einst bei Xbox) und Muffi Ghadiali, der am eBook-Reader Amazon Kindle mitgearbeitet hat.

Von Entwicklerseite darf sich das Ouya-Team über prominente Unterstützer freuen - darunter Jenova Chen ("Journey"), Brian Fargo (Gründer von inXile), Jordan Mechner ("Prince of Persia"), Mojang ("Minecraft"), Adam Saltsman ("Canabalt") und David Edery ("Triple Town"). An diese Liste angereiht hat sich jüngst auch das Studio Meteor, das den Mech-Shooter "Hawken" entwickelt. Zwar ist in dieser Anfangsphase noch nichts von den ganz großen Labels wie EA oder Activision zu sehen, doch zeigt sich, dass allein die Ankündigung der neuen Konsole große Wellen in der Independent-Szene geschlagen hat. Hier scheint das Konzept offensichtlich auf offene Ohren zu stoßen.

Unterstützung von der Community

Auf offene Ohren stieß man ebenso bei der Kernspielerschaft. Zur Finanzierung der Entwicklung entschied sich das Ouya-Team für die Crowdfounding-Plattform Kickstarter. Interessierte Konsumenten können die Konsole so vorab kaufen und damit die Realisierung des Projekts finanzieren. Das von den Entwicklern gesteckte Ziel von 950.000 Dollar wurde innerhalb von 24 Stunden erreicht. Nach sechs Tagen hält Ouya bei 37.500 Unterstützern und über 4,8 Millionen Dollar. Interesse besteht demnach ganz offensichtlich. Die Finanzierungsrunde geht noch bis zum 9. August.

Potenzial

Es gibt zwei entscheidende Faktoren, die dem Projekt Ouya zum Erfolg verhelfen könnten. Einerseits ist die Konsole so günstig, dass sie Konsumenten zum Spontankauf einlädt. Das Free2Play-Modell verspricht zudem einen unkomplizierten und billigen Zugang zu einem reichhaltigen Spielportfolio.

Andererseits öffnet die lizenzfreie Entwicklung Studios und Designern Tür und Tor in einen Markt, in dem die traditionelle Spielentwicklung stetig teurer wird. Die tausenden kreativen Köpfe, die sich ihre hart verdienten Einnahmen jetzt mit den großen Plattformhaltern teilen, könnten in der Ouya eine relativ risikoarme Alternative zu Xbox, PlayStation und Co. finden.

Auf die Spiele kommt es an

Die größte Herausforderung für Ouya wird die Sicherung von einzigartigen Inhalten sein. Man kauft sich eine Nintendo-Konsole, weil man "Super Mario" oder "Zelda" spielen möchte, eine Xbox, weil es "Halo" gibt und die PlayStation lockt mit exklusiven Werken wie "Uncharted" oder "Gran Turismo". Aber für welche Games wird die Ouya bekannt sein.

Die Anwtort darauf wird die Zukunft bringen, doch mit dem Trend in Richtung Indie-Games und kleine Projekte könnte die Ouya zu einem Hort der Kreativschmieden werden. Dass dies die vielen Mini-Games für Tablets und Smartphones miteinbezieht ist selbstverständlich, spannender ist jedoch, ob man auch die vielen Spiele-Perlen gewinnen kann, die derzeit für Steam, PlayStation Network oder Xbox Live konzipiert werden. Ein "Journey" oder ein "Shadow Complex" würden sich neben "Angry Birds" exzellent auf der neuen Konsole machen.

Eine Gefahr für die großen Drei?

Bleibt zu klären, ob Ouya eine Gefahr für die etablierten Konsolen sein kann. Sollte das Konzept voll aufgehen, werden Sony, Microsoft und Nintendo 2013 einen Mitbewerber haben, der eine Konsole zum Schnäppchenpreis anbietet, günstige Spielerlebnisse verspricht und Entwicklern viele Sorgen nimmt.

Technologisch wird sich die Ouya bestimmt nicht mit der nächsten PlayStation oder Xbox messen können und "Super Mario" wird man auch nicht vorweisen können. Doch zum einen stehen Grafik und Technik bei der Ouya nicht im Vordergrund und den Schöpfern steht auch nichts im Wege, den Technologievorsprung der nächsten Generation über laufende (vielleicht jährliche) Iterationen stetig aufzuholen. Zum anderen können die Entwickler alles daran zu setzen, dass die nächsten großen (Indie-)Hits auf der Ouya geboren werden.

Das Potenzial ist jedenfalls groß und das Projekt Ouya sehr vielversprechend. Zum ersten Mal seit der Einstellung der letzten Sega-Konsole Dreamcast zeichnet sich ein neuer Stern am Konsolenmarkt ab. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 15.7.2012)