Partner für gemeinsame europäische Projekte.

Grafik: Standard

Linz - Zeugnisverteilung im Fach Europapolitik. "Wie werden von der Bundesregierung die österreichischen Interessen in Brüssel vertreten? Sagen Sie das bitte anhand von Schulnoten, wo 1 'sehr gut' bedeutet und 5 'nicht genügend'." Diese Frage legte das Linzer Market-Institut Anfang Juli 403 Wahlberechtigten vor - und ermittelte eine Durchschnittsnote von 3,58. Das ist deutlich schlechter als bei einer Vergleichsumfrage im Jahr 2008, da lag die Note noch bei 3,27.

22 Prozent sagen, dass Österreichs Interessen überhaupt nicht vertreten würden, vor vier Jahren meinten das nur 16 Prozent. Ein "genügend" vergaben 28 Prozent, im Jahr 2008 waren es 19 Prozent.

Einen starken Einfluss auf die Einschätzung hat das Selbstbild: der Standard ließ in der Umfrage nämlich auch erheben, ob sich die Befragten eher als Österreicher oder eher als Europäer fühlten. Nur eine kleine Minderheit von drei Prozent sieht sich ausschließlich als Europäer, 35 Prozent als "Österreicher und Europäer", und 58 Prozent sehen sich nur als Österreicher. Diese Anteile sind seit Jahren etwa gleich groß, die Gruppe der "nur Österreicher" sieht sich aber besonders schlecht in Brüssel vertreten.

Besonders kritisch wird die EU-Politik von älteren und wenig gebildeten Befragten gesehen - die schlechtesten Noten gibt es von FPÖ Wählern.

Den Freiheitlichen trauen allerdings auch nur 23 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher eine realistische, durchsetzbare Europapolitik zu - es sind fast ausschließlich die erklärten FPÖ-Wähler, die glauben, dass mit freiheitlicher Europapolitik ein Staat zu machen sei.

Deutlich besser wird die Europapolitik der Koalitionsparteien beurteilt: Jeweils 38 Prozent der Befragten sagen, dass die Politik von SPÖ und ÖVP realistisch und durchsetzbar wäre - allerdings vertritt auch bei diesen Parteien jeder Zweite die Meinung, die Europapolitik der jeweiligen Partei sei nicht realistisch. Die bekennenden Europäer (unter denen besonders viele ÖVP-Anhänger sind) haben von beiden Regierungsparteien ein besseres Bild als die Nur-Österreicher.

Bezugspunkt Deutschland

Nun muss man bedenken, dass EU-Politik ja nicht von einem Land allein gemacht werden kann - auch wenn kleine Länder in Allianzen durchaus viel bewegen können, wie das Beispiel Luxemburg zeigt. der Standard ließ daher fragen, welches Land von den österreichischen Wahlberechtigten als geeigneter Partner für politische Projekte in Europa eingeschätzt wird.

Dabei zeigt sich die klare Orientierung an Deutschland, das quer durch alle Bevölkerungsgruppen gut bewertet wird: Es bekommt von 46 Prozent der Befragten die Note "sehr gut" und liegt damit klar vor Luxemburg an erster Stelle. Mit deutlichem Abstand dahinter kommt Frankreich, das von Wählern der SPÖ und der Grünen besonders positiv bewertet wird.

Die von der Eurokrise gebeutelten Länder werden dagegen durchwegs als Partner für politische Projekte abgelehnt. Zum Handkuss kommt dabei auch Zypern, das derzeit den Ratsvorsitz in der EU innehat.

Was an Europa gefällt

Schließlich fragte Market auch, welche Vor- und Nachteile die Österreicherinnen und Österreicher in der EU sehen.

Als größter Vorteil wird - von 74 Prozent - das Reisen ohne Pass und Grenzkontrolle genannt. An zweiter Stelle kommt die gemeinsame Währung, auch wenn der Euro an Glanz verloren hat: Im Mai 2009 hatten bei einer ähnlichen Umfrage noch 77 die Gemeinschaftswährung als Vorteil bewertet und sie damals an den ersten Platz gereiht. Jetzt nennen 68 Prozent die gemeinsame Währung als Vorteil - besonders geschätzt wird sie von jüngeren, höher gebildeten Befragten und von Menschen, die sich (auch) als Europäer bekennen.

Als dritter großer Vorteil wird die Job-Mobilität genannt, sie reizt ebenfalls die jüngeren Befragten, die gleichzeitig auch den europäischen Bildungsstandards gute Noten geben.

Und das sind die am stärksten wahrgenommenen Nachteile: Die Schwierigkeiten, die Interessen aller Länder zu vereinbaren, wird von 78 Prozent genannt, 54 Prozent meinen überdies, dass Interessen einzelner Länder unberücksichtigt blieben. 70 Prozent klagen über eine schwerfällige Bürokratie in der EU. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 16.7.2012)