Innsbruck - Die meisten Touristen schaffen es wohl nur bis zur Innbrücke hinter der Altstadt, wo die Lokale sind, die Souvenirgeschäften und das Wahrzeichen der Stadt, das Goldene Dachl. Vielleicht werfen sie noch einen Blick auf die Berge - die Nordkette - und die bunten Häuser auf der anderen Innseite. Möglicherweise trinken sie einen Kaffee am Marktplatz. Doch das sei es meistens auch schon, sagen Touristiker.

Um die Verweildauer der Reisenden in Innsbruck zu verlängern, verfolgt der Innsbrucker Tourismusverbandschef Karl Gostner einen Plan: Anbruggen, der eigentlich älteste Stadtteil Innsbrucks jenseits der Innbrücke, bestehend aus St. Nikolaus und Mariahilf, soll belebt werden. Die "Koatlackn" - bei starkem Regen flossen hier im Mittelalter die Abwässer zusammen - soll Anziehungspunkt für Bevölkerung und Touristen werden.

Schon seit längerem machen sich Touristiker Gedanken: Woraus besteht eine Innsbruckbesichtigung? Und vor allem: Wo will Innsbruck im Fremdenverkehr hin? Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus einigen Hoteliers, begann sich Gedanken über die Positionierung der Alpenstadt zu machen. Dabei wurde schnell klar, dass die Bemühungen nur dann Sinn ergeben würden, wenn dieser Prozess auf eine breite Basis gestellt wird. Ende 2009 einigten sich die Verantwortlichen aus Stadtpolitik und Tourismus auf einen Markenbildungsprozess.

Kreative Pläne

Teil dieser Markenbildung ist die Belebung des Stadtteils Anbruggen. Die Filmemacherin Katharina Cibulka wurde als "Kommunikatorin" für den Revitalisierungsprozess engagiert. Die 37-Jährige versucht - ganz ihrem Beruf entsprechend - "kreativ an das Thema heranzugehen".

In zahlreichen Sitzungen mit Bewohnern, Lokalbesitzern und Kreativen aus den Grätzln St. Nikolaus und Mariahilf werden Ideen für das neue Anbruggen gesammelt. Der Waltherplatz könnte etwa nutzbarer gemacht werden. Der Inn - derzeit durch Verbauungen ausgesperrt - könnte mehr ins Zentrum von Stadt und Bezirk rücken. Überhaupt könnte es eine Verkehrsoptimierung geben. Und der Hans-Brenner-Platz sollte nicht mehr nur Parkplatz sein, sondern auch nutzbarer öffentlicher Raum werden.

Cibulka spricht in ihrer Rolle als Kommunikatorin bewusst diplomatisch von Verkehrsoptimierung, denn "eine Verkehrsberuhigung ist zwar angenehm für die Anrainer, nicht aber förderlich für die Unternehmer". Doch all dies werde derzeit ohnehin erst diskutiert - es sei Zukunftsmusik.

Was in Anbruggen dann wirklich passiert, soll in einem Stadtteilentwicklungsprozess entschieden werden. Auch Bürgerbeteiligung ist geplant.

Ebenfalls im Diskussionsteam befindet sich Johannes Kostenzer: Der Tiroler Landesumweltanwalt ist nicht nur als Ökoexperte dabei, sondern auch als Bewohner von St. Nikolaus: "Anbruggen ist eine Perle", schwärmt er: Die alten Häuser des Stadtteils müssten unbedingt mehr ins Bewusstsein von Bevölkerung und Touristen gelangen. Und die Nähe der Nordkette, an deren Fuß Anbruggen liegt, müsse städteplanerisch genutzt werden.  Nirgendwo sonst in Innsbruck werde der scheinbare Gegensatz von Urbanität und Natur derart vereint. (Verena Langegger, DER STANDARD, 16.7.2012)