STANDARD: Warum markieren riesige Einkaufskomplexe so viele Ortsenden?

Maxian: Weil es Gemeinden wirtschaftliche Vorteile bringt. Aber es besteht auch die Frage, welche negativen Effekte es verursacht. Interessant wird's, wenn Kaufkraft von anderen Gemeinden lukriert werden kann, deshalb stehen die großen Einkaufszentren immer an Schnittstellen, etwa an der Grenze zwischen einer großen und einer kleinen Gemeinde. Politisch entscheidend ist: Ist der Vorteil so groß, dass man in Kauf nimmt, dass Geschäfte eingehen?

STANDARD: Gleichzeitig ist der Trend zum Eigenheim ungebrochen. Welche Folgen hat das?

Maxian: Schätzungsweise zwischen zwei Drittel und drei Viertel der Bevölkerung geben auf die Frage, wo sie am liebsten wohnen würden, das eigene Haus mit Garten an. Das können sich nur wenige leisten. Die Menschen nehmen eine Wohnung in der Stadt, und sobald es die finanziellen Mittel erlauben, erfüllen sie sich ihren Traum und kaufen Grund - das ist dann der Speckgürtel, der um Wien den Wienerwald auffrisst. Ähnlich ist es auch in Graz und Salzburg - oder in Singapur oder Kuala Lumpur. Es ist überall das Gleiche: Man hat die Leute in Türme gebracht, aber wer es sich leisten kann, wohnt im eigenen Haus mit Pool und Garten. Das Bedürfnis scheint elementar zu sein. Die sehr große Dichte in den Städten induziert ja auch gerade die Flucht aus der Stadt.

STANDARD: Die Folgen sind Verkehrsprobleme. Was ist die Lösung?

Maxian: Der Wiener Stadtplaner Roland Rainer war ein Verfechter des verdichteten Flachbaus: Jeder hat sein Haus oder seine Haushälfte, immer mit kleinem Eigengarten oder einer begrünten Terrasse. Dann kommt man in der Effizienz fast zu denselben Werten wie im städtischen Bereich, die Leute sind aber zufrieden. Sie haben keine zusätzliche Wohnung, keinen zusätzlichen Verkehr.

STANDARD: Was fördert außerdem die Identifikation mit Orten?

Maxian: Identifikation hat ganz stark damit zu tun, wie Menschen miteinander umgehen. Das setzt Überschaubarkeit voraus - ein Grundbedürfnis. Auf den Malediven gibt es etwa Bestimmungen, dass ein Gebäude nicht höher als ein Baum sein darf. Der Hausbau ist also mit dem Erfahrungsschatz der Überschaubarkeit in Einklang zu bringen. Profitmaximierung lässt sich damit nicht erreichen.

STANDARD: Sie sind schon lang Raumplaner. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz aus?

Maxian: Die Raumplanung hat vieles von dem, was sie wollte, nicht erreicht. Ihre Durchsetzungskraft ist auf örtlicher Ebene nun einmal auf das Baurecht beschränkt. In anderen Bereichen ist die Raumordnung darauf angewiesen, andere zu überzeugen, das bedeutet Kompromisse. Aber es gibt heute einen Konsens darüber, dass es ohne Raumordnung nicht geht. Das war zu meinen Anfangszeiten 1977 nicht so. Grund und Boden ist knapp, das ist heute allen klar.

STANDARD: Was wird Raumplaner in Zukunft beschäftigen?

Maxian: Das werden die riesigen Baulandreserven sein, die nach und nach frei werden: Jene Bereiche, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg mit sehr einfachen Mitteln bebaut wurden und kaum mehr renovierbar sind. Die Menschen, die darin leben, sterben nach und nach. Da etwas zu errichten, was Wohn- und Raumordnungsqualität hat, ist ein ganz zentrales Thema für die Zukunft. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 16.7.2012)