Am meisten Eindruck, meint Martin Blum, habe auf ihn ein Detail gemacht, das nicht auf der Tagesordnung stand: "Von der Gelassenheit und Aggresionsfreiheit, mit der Verkehrsteilnehmer dort unterwegs sind", schwärmt Wiens Radkoordinator, "könnten wir uns hier eine Scheibe abschneiden. Alle: Auto- wie Radfahrer."

Das "dort", von dem Blum spricht, ist Nordamerika. Genauer: Vancouver. Dort war der Chef der Wiener Radagentur Ende Juni als Teil der Wiener "Velo-City"-Delegation.

Die jährliche "Velo-City"-Konferenz gibt es seit 1980. Sie gilt heute als wichtigste Tagung der Stadt-Rad-Experten des Planeten.

Zu der viertägigen Veranstaltung waren heuer über 1500 Delegierte aus Europa, Australien, Amerika und Asien gekommen. Wien war - neben Rad-Aktivisten und Rad-Beamten - durch Planungsstadträtin Maria Vassilakou vertreten.

Ging es in früheren Jahren oft noch um die prinzipielle Akzeptanz des Fahrrades im Stadtverkehr, sei die Trendwende zumindest in den Köpfen schon gelungen, referiert Blum: "Städte, denen Lebensqualität ein Anliegen ist, setzen weltweit auf Radfahren."

Am meisten habe ihn überrascht, wie radikal dieses Umdenken in vielen US-Städten sei, sagt Blum fast neidisch: "Der Satz, dass amerikanische Städte reine Autostädte sind, stimmt vielerorts einfach nicht mehr." Wien, so der Rathaus-Radler, sei aber immerhin "auf einem guten Weg." Nachsatz: "Es sind noch große Anstrengungen nötig."

Dass die so schnell fruchten werden, dass kanadische Experten bald so von Wien schwärmen werden, wie Blum von Vancouver, ist aber eher unwahrscheinlich: 2013 findet die "Velo-City" in Wien statt. (Thomas Rottenberg, AutoMobil, DER STANDARD, 13.7.2012)