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Walter Pichler baute Behausungen für Skulpturen.

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Das Wiener MAK zeigte von September 2011 bis Februar 2012 Arbeiten von Walter Pichler bei der Ausstellung ...

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"Walter Pichler. Skulpturen. Modelle. Zeichnungen".

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Wien - Raum, Proportionen, Erinnerung, Licht und vor allem Zeit waren die Werkstoffe, aus denen Walter Pichler sein einzigartiges Universum aus Modellen, Skulpturen und Häusern zeichnete und in der Werkstatt baute: "Wenn die Hände beschäftigt sind, ist der Kopf frei. Ich bin kein abstrakter Denker, keiner, der tagelang in sich hineinhorcht. Deshalb arbeite ich gern manuell."

1971 kaufte der stets in elegantes Tuch gekleidete Künstler ein altes Bauernhaus im burgenländischen St. Martin an der Raab, fünf Hektar Grund für 240.000 Schilling (umgerechnet rund 17.000 Euro), ein Traumgrundstück im Sonderangebot, "das Haus haben sie mir dazugeschenkt. Wenn die Baggerstunde nicht so teuer gewesen wäre, hätten sie es längst weggeschoben".

Noch am selben Tag zog er ins baufällige Haus ein und begann sein Lebenswerk: Heimstätten zu bauen für seine Skulpturen, feierliche Behausungen oder, genauer gesagt, Häuser-Kompositionen in genau ausgeklügelten Proportionen, mit exakt berechneten Lichteinfällen, perfekten Dimensionen und Relationen für den Großen und den Kleinen Bruder beispielsweise, für die Schädeldecken, den Aufpasser und für die Bewegliche Figur. "Es stellt sich ja die Frage: wo beginnt die Plastik. Wo hört sie auf? Alles hier entspricht exakt meinen Vorstellungen. Ich wollte immer Häuser für meine Skulpturen machen, weil es nur konsequent ist, dass sie ihren idealen Platz, optimale Lichtverhältnisse haben. Außerdem muss man dann auch nicht mehr so viel erklären, sondern braucht nur zu zeigen: So schaut es aus."

Geboren am 1. Oktober 1936 in Deutschnofen in Südtirol in eine Handwerkerfamilie, hielt sich Pichler von kleinan gern in der Werkstatt auf, wusste früh um die Bedeutung der Zeichnung: "Ich wundere mich immer über die Genies, die so viele Möglichkeiten haben; das habe ich nicht - aber Ich habe glücklicherweise das erwischt, wo ich am weitesten kommen kann. Ich wäre ein erbärmlicher Dichter und ein noch erbärmlicherer Musiker."

In den 1960er Jahren interessierte ihn vor allemdie Baukunst, in dünnstrichigen Architekturzeichnungen entwickelte er gemeinsam mit Hans Hollein und Raimund Abraham die Visionary Architecture, die 1967 im New Yorker Museum of Modern Art gezeigt wurde; ein Jahr später wurde Pichler zur Documenta in Kassel eingeladen. Er lebte in Paris, New York und Mexiko und vertrat 1982 Österreich auf der Biennale in Venedig.

Seine Figuren ließ er nur ungern zu Ausstellungen verreisen - ins Frankfurter Städelmuseum etwa, ins Stedelijk-Museum in Amsterdam oder, 1990, ins Museum für angewandte Kunst in Wien. Immer waren diese Exkursionen mit umfangreichen räumlichen Interventionen in den Museen verbunden; einiges davon blieb als dauerhafte architektnische Verbesserung - etwa das Pichlertor im Mak.

Um sich nicht Kunstmarktgesetzen beugen zu müssen, gestaltete Pichler seit den 1960er Jahren Buchcover, zunächst für den Residenzverlag, ab 2000 für Jung und Jung. Auch sein eigenes Werk dokumentierte er lückenlos, fotografiert von seiner Frau, der Architketurfotografin Elfie Tripamer. "Ich weiß genau, was ich will", sagte er. "Aber sie macht die Fotos, die sie will, ganz anders als meine Vorstellungen. Aber sie hat immer recht, weil sie die Distanz hat. Meins ist Pflicht. Ihres ist Kür." Gefährlich sei eigentlich nur Routine, meinte er: "Aber ich habe eine gute Methode, mich davor zu schützen:Ich habe viele Pichlers um mich herum stehen, die mir über die Schulter schauen."

Am Montag erlag Walter Pichler 75-jährig seiner Krebserkrankung. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 17.7.2012)