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Das Plakat rückt Mitt Romney in die Nähe der Koch Brothers - zweier Brüder, die mit einem konservativen Netzwerk seit Jahrzehnten versuchen, ihre politischen Interessen durchzusetzen.

Foto: Kathy Kmonicek/AP/dapd

Charles Koch (li.) und sein Bruder David Koch.

Foto: Koch Industries Inc.

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Ein Tea-Party-Anhänger bei einer Demonstration Ende Juni in Washington gegen Obamas Gesundheitsreform. Die Koch-Brüder sollen der Tea Party finanziell massiv unter die Arme greifen.

Foto: REUTERS/Jason Reed

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Eine Versammlung der Gruppe Americans for Prosperity, hinter der ebenfalls die Koch-Brüder stecken, im November 2010.

Foto: REUTERS/Jonathan Ernst

"Mitt Romney hat ein Koch-Problem": Diese Worte waren in roten Buchstaben auf einem riesigen Plakat zu lesen, das Demonstranten Anfang Juli in Southampton rund 150 Kilometer von Manhattan entfernt in die Kamera hielten. Das Plakat sollte Mitt Romney als Kandidaten der Großunternehmer, in diesem Fall Koch Industries, darstellen. Es seien deren Interessen und nicht die der amerikanischen Bürger, die er als Präsident zu vertreten gedenke, warnen seine Gegner.

Rund 200 Mitglieder von MoveOn.org, einer den Demokraten nahestehenden Gruppe, standen vor dem Haus des Milliardärs David Koch, in dem der republikanische Präsidentschaftskandidat versuchte, Geld für seinen Wahlkampf zu lukrieren. Für rund 50.000 US-Dollar konnten Interessierte an diesem Abend mit Romney speisen.

100 Milliarden Dolllar jährlich

David Koch und sein Bruder Charles sind zwei der reichsten US-Bürger. Das Familienunternehmen Koch Industries ist einer Reihung des Wirtschaftsmagazins "Forbes" zufolge das zweitgrößte Privatunternehmen in den USA. Nummer eins ist der Lebens- und Futtermittelhersteller Cargill. Den jährlichen Umsatz beziffert Koch Industries auf 100 Milliarden US-Dollar. Gewinnsummen werden nicht genannt. Das Unternehmen der beiden über 70-jährigen Brüder ist ein Firmenkonglomerat und macht Geld unter anderem mit Öl, Chemie, Kunststoff und Nahrungsmitteln.

Verdeckte Operationen

Die Wochenzeitschrift "New Yorker" veröffentlichte im August 2010 einen umfangreichen Artikel über die beiden. Der Titel: "Covert Operations. The billionaire brothers who are waging a war against Obama". Der Inhalt: Die beiden Brüder finanzieren mit den Millionen aus dem in Kansas ansässigen Familienunternehmen ein konservatives Netzwerk, das einzig der Umsetzung ihrer politischen Ideen dient. Mit der Tea Party haben die zwei Milliardäre eine Gruppe unterstützt, die zwar als Grassroots-Bewegung auftritt, in deren Organisation aber große Summen von Finanziers wie den Koch-Brüdern fließen. Kritiker sprechen von einer künstlich gezüchteten Bewegung - auch "Astroturf" genannt.

Ideologische Stützen: Hayek und Mises

Ideologisch sind die beiden Brüder von der Österreichischen Schule der Nationalökonomie geprägt, als deren bekannteste Vertreter Friedrich August von Hayek und Ludwig von Mises gelten. Die beiden Ökonomen vertraten die These, dass staatliche Eingriffe in die Wirtschaft schädlich sind und nur ein freier Markt Wohlstand und Freiheit für das Individuum bringen könne.

Die Koch-Brüder haben zu Beginn der Vorwahlen der Republikaner den Kandidaten Herman Cain unterstützt. Der sagte noch im November vergangenen Jahres über die Beziehung zu den beiden: "I am the Koch brother's brother from another mother." Nachdem nun Mitt Romney als Kandidat der Republikaner feststeht, fließen die Geldströme der Koch-Brüder auch in seine Wahlkampfkassen.

Geldverdienen in der Sowjetunion

Die politischen Ideen der beiden Brüder sind wie das Familienunternehmen das Erbe ihres Vaters. Der Erfolg von Koch Industries beruht auf dem unternehmerischen Erfolg von Fred C. Koch, dem Vater von Charles und David. Der Sohn niederländischer Einwanderer gründete 1925 gemeinsam mit einem Geschäftspartner eine Ölraffinerie-Firma, die Jahrzehnte später Milliardengewinne abwerfen sollte.

Einen Teil seines Vermögens erwirtschaftete Koch sen. Ende der 1920er und zu Beginn der 1930er Jahre auch in der Sowjetunion. Insgesamt hat er dort 15 Ölraffinerien gebaut und danach Ingenieure in der Handhabung der Anlagen ausgebildet.

Während dieser Zeit soll Fred Koch seine Ablehnung gegen staatliche Eingriffe in Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt haben. Seine politischen Thesen hat er in dem 1960 im Eigenverlag veröffentlichten Buch "A Businessman Looks at Communism" dargelegt. In dem 29-seitigen Büchlein beschreibt Koch sen. die Sowjetunion als "land of hunger, misery and terror". Aber nicht nur das: Fred Koch glaubte, die Sowjetunion plane eine Unterwanderung der USA mit dem Ziel, das Land in einen kommunistischen Staat zu verwandeln.

Angst vor sozialistischer Unterwanderung

Um dem angeblich aufstrebenden Sozialismus in den USA Einhalt zu gebieten, war Fred Koch 1958 einer der Gründer der John Birch Society (JBS). Der rechtsgerichtete Thinktank sollte der vermeintlichen kommunistischen Bedrohung entgegenarbeiten.

Dem Glauben an eine sozialistische Bedrohung der USA scheinen auch die Söhne Fred Kochs anzuhängen. Der neue Feind sind die Demokraten, die die Aufgaben des Staates ausweiten wollen, sich vorstellen können, Steuern zu erhöhen, Umweltauflagen einführen möchten und jeden Bürger zum Abschluss einer Gesundheitsversicherung verpflichten.

Thinktanks und Super PACs

Das Vehikel, mit dem die Brüder Charles (76) und David Koch (72) ihre Ideologie transportieren, ist allerdings nicht mehr die JBS, sondern die Plattform Americans for Prosperity (AFP). David Koch ist einer der Vorsitzenden von AFP, und die Brüder sind auch für einen Großteil der finanziellen Ressourcen der Organisation verantwortlich. AFP ist ein sogenanntes Super PAC. Das Kürzel PAC steht für Political Action Committee. So werden Organisationen genannt, die bestimmte politische Forderungen oder auch bestimmte Kandidaten unterstützen - vor allem finanziell. Super PACs dürfen Spenden in beliebiger Höhe von Unternehmen und Einzelpersonen entgegennehmen und das Geld an Kandidaten weiterreichen.

AFP fordert niedrige Steuern, die Verringerung des staatlichen Einflusses und eine Beschränkung der Rolle der Gewerkschaften. Außerdem soll Obamas Gesundheitsreform rückgängig gemacht werden und die Umweltgesetzgebung möglichst unternehmerfreundlich sein. Sich selbst beschreibt AFP als Grassroots-Bewegung. Die Interessen, für die sie eintritt, sind zum überwiegenden Teil deckungsgleich mit den Interessen Großindustrieller, die auch ihre Finanziers sind. AFP und damit die Koch-Brüder sollen auch als Geldgeber der Tea-Party-Bewegung aktiv sein. 

Tea-Party-Verbindungen

Obwohl es keine handfesten Beweise für die direkte Verbindung zwischen der Tea Party, und AFP gibt, beschreibt Jane Mayer im "New Yorker" die engen personellen Verflechtungen von AFP- und Tea-Party-Aktivisten. So soll AFP der Tea Party nicht nur finanziell, sondern auch in organisatorischen Belangen und politischer Strategie unter die Arme gegriffen haben. Mayer vertritt in ihrem Artikel die These, dass die Kochs nicht nur beratend der Entwicklung der Tea Party zur Seite gestanden sind, sondern auch bei der Entstehung dieser staats- und steuerfeindlichen Bewegung maßgeblich beteiligt waren.

Neben AFP unterstützen die Kochs zig weitere konservative, libertäre Thinktanks, darunter das Cato Institute, die Heritage Foundation und das Mercatus Center. All diese Organisationen bestehen schon seit Jahrzehnten, aber erst mit der Tea Party haben es die Kochs geschafft, ihre Interessen auch auf die Straße zu bringen, auf Protestschilder bei Demonstrationen und in die Abendnachrichten.

Verschwörungstheorien

Die Kochs selbst bestreiten, finanzielle Unterstützung für die Tea Party zu leisten. Sie würden deren Forderungen zwar inhaltlich unterstützen, Geld sei aber keines geflossen. Die Verbindungen, die zahlreiche Journalisten zwischen der Tea Party und ihnen nahestehenden Organisationen herstellen, seien lediglich Verschwörungstheorien. Die eigens ins Leben gerufene Website kochfacts.com versucht die Vorwürfe zahlreicher Medien, Politiker und Bürgerrechtsorganisationen zu entkräften.

Vor allem David Koch, der mit 72 Jahren der jüngere der beiden Brüder ist, würde sich lieber weiterhin als Philanthrop porträtiert sehen. Schließlich hat er Millionen seines Privatvermögens an Kunsteinrichtungen, Bildungsinstitutionen und Forschungseinrichtungen gespendet.

Wiederwahl verhindern

Schon einmal habe ein konservatives Netzwerk versucht, die Wiederwahl eines demokratischen Präsidenten zu verhindern, schreibt die Journalistin Eva C. Schweitzer in ihrem Buch "Tea Party - Die weiße Wut. Was Amerikas Neue Rechte so gefährlich macht". In den 1930er Jahren sollte mit der American Liberty League (ALL) die Wiederwahl des Demokraten Franklin D. Roosevelt verhindert werden. Gründer waren damals sowohl Demokraten als auch Republikaner. Das Geld kam von Großindustriellen.

Politisches Ziel der ALL war die Verhinderung des von Roosevelt ausgerufenen New Deal, der den USA aus der Wirtschaftskrise helfen sollte. Die ALL war gegen die Einführung der Sozialhilfe und wollte das Streik- und Organisationsrecht wieder abschaffen. Nachdem Roosevelt 1936 wiedergewählt wurde, hat sich die American Liberty League aufgelöst.

Ob die Kochs ihr Ziel erreichen, die Wiederwahl Obamas zu verhindern, wird sich am 6. November zeigen. Mit einem Auflösen der Tea Party ist auch in diesem Fall kaum zu rechnen. Die Kochs werden auch unter einem republikanischen Präsidenten an der Umsetzung ihrer Ideologie arbeiten. Und es wird jemand anders "ein Koch-Problem" haben. (Michaela Kampl, derStandard.at, 17.7.2012)