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Erst die Aufsichtsräte, dann die Vorstände: Ministerin Heinisch-Hosek will, dass Chefetagen keine "frauenfreie Zonen" mehr sind.

Foto: APA/Neubauer

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) konkretisiert im STANDARD-Interview den Ruf ihrer Partei nach einer Frauenquote für Privatbetriebe: Bis 2015 sollen 30 Prozent, bis 2020 bereits 40 Prozent der Aufsichtsräte und Vorstände weiblich sein. Gelten solle die Quote für börsennorientierte Unternehmen und große Kapitalgesellschaften. Am Wochenende hatte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) Frauenquoten in der Privatwirtschaft eine Absage erteilt. Auch Wirtschaft und Industrie sind strikt dagegen.

STANDARD: In der Regierung sind Frauen stark unterrepräsentiert. Welche männlichen Kollegen schmeißen Sie raus, wenn die Frauenquote eingeführt wird?

Heinisch-Hosek: Auf diese Frage lasse ich mich nicht ein. Ich will ja gerade auch dem Wirtschaftsminister die Angst vor der Frauenquote nehmen. Es stimmt, eine solche Regel würde weniger Männer in Führungspositionen bedeuten, aber dafür muss ich diese nicht gleich rauskicken. Der öffentliche Dienst zeigt vor, wie der Frauenanteil gesteigert werden kann, wenn bei Neubesetzungen eine Quote ernst genommen wird.

STANDARD: Sie wollen die Quote nun aber auch in der Privatwirtschaft. Auf allen Ebenen?

Heinisch-Hosek: Im ersten Schritt in Aufsichtsräten und im zweiten auch in Vorstandsetagen. Schon in den Vorschlägen brauchte es da eine Quotierung, damit nicht nur Männer nominiert werden.

STANDARD: Und in den Ebenen darunter auch?

Heinisch-Hosek: Ich bin mir nicht sicher, ob das die Politik vorzuschreiben hat. Wir beginnen jetzt einmal mit den Chefetagen, wobei ich den Rückenwind aus der EU-Kommission nützen will. Ich hoffe auch, dass sich Unternehmen selbst Frauenquoten auferlegen, wie das die deutsche Telekom vorzeigt.

STANDARD: Wie hoch soll die Frauenquote sein?

Heinisch-Hosek: In Anlehnung an EU-Kommissarin Viviane Reding möchte ich für die Privatwirtschaft folgendes Ziel ausgeben: Bis 2015 soll die Frauenquote auf 30 Prozent steigen, bis 2020 auf 40 Prozent. Es muss sich endlich etwas bewegen. Allein mit Freiwilligkeit kommen wir nicht weiter. Die Aufsichtsräte und Vorstandsetagen sind praktisch frauenfreie Zonen.

STANDARD: Würde Qualifikation dann zweitrangig?

Heinisch-Hosek: Nein. Wenn sich zwei bewerben, soll immer der oder die Bessere genommen werden. Wenn beide aber gleich gut qualifiziert sind, kommt so lange das unterrepräsentierte Geschlecht dran, bis die Quote erreicht ist. Es kann auch sein, dass in einer Firma die Frauen in der Überzahl sind. Dann gibt es eben einen Quotenmann.

STANDARD: Formale Qualifikation spiegelt aber nicht zwangsläufig die reale Leistung wieder. Könnte die Quote in manchen Fällen nicht Arbeitgeber dazu zwingen, eine Frau zu nehmen, obwohl ein Mann geeigneter wäre?

Heinisch-Hosek: Ich weigere mich, die Quote immer im Zusammenhang mit Qualitätsminderung zu diskutieren, das ist nicht das Thema. Die Erfahrung im öffentlichen Dienst zeigt, dass die Regel eine andere ist: Dank der 1993 eingeführten Quote gibt es heute immerhin 30 Prozent Frauen in Spitzenfunktionen und 20 Prozent Sektionschefinnen, doch die Leistung hat keineswegs gelitten - im Gegenteil. Aus Studien wissen wir, dass Konzerne mit gemischten Führungsteams erfolgreicher sind, da lasse ich mir nicht einreden, dass Quotenfrauen die Qualität senken. Bei Betriebsbesuchen treffe ich so viele motivierte, talentierte, toll ausgebildete Frauen. Es ist Nonsens, dieses Potenzial brachliegen zu lassen.

STANDARD: Ein Arbeitgeber kann immer behaupten, dass in seinen Augen ein Mann besser qualifiziert sei. Wie ist die Quote exekutierbar?

Heinisch-Hosek: So, wie jetzt bereits im öffentlichen Dienst. Hat eine Frau den Eindruck, sie wurde diskriminiert, kann sie eine Prüfung der Gleichbehandlungskommission verlangen. Außerdem hat jede und jeder die Möglichkeit, individuell bei Gericht sein Recht einzuklagen.

STANDARD: Wie sollen Unternehmen in Branchen, wo es einfach viel mehr männliche Uni-Abgänger gibt, eine Frauenquote einhalten?

Heinisch-Hosek: Wenn sich für einen Job in einem technischen Unternehmen vorerst gar keine Frau meldet, kann ich die natürlich auch nicht herzaubern. Man sollte deshalb auch früher ansetzen, bereits HTLs werben mittlerweile um Frauen. Die Quote ist nur das Ende der Fahnenstange.

STANDARD: Unternehmer tragen das wirtschaftliche Risiko und zahlen die Löhne. Pochen die nicht zu Recht darauf, sich ihre Mitarbeiter selbst aussuchen zu dürfen?

Heinisch-Hosek: Ich will jetzt nicht ätzend werden, aber dann sollten wir die Unternehmer auch fragen, wie viele von ihnen schon einmal staatliche Förderungen bezogen haben. Ich gehe davon aus, dass es die Mehrheit ist.

STANDARD: Viele Männer werden es unfair finden, dass bei gleicher Qualifikation automatisch die Frau den Job bekommt. Verstehen Sie da nicht die Angst vor einer Frauenquote?

Heinisch-Hosek: Nein. Wie gesagt, will ich ja keinen Mann rausschmeißen, sondern bei Nachbesetzungen auf die Talente von Frauen zurückgreifen. Warum soll nicht das unterrepräsentierte Geschlecht genommen werden? Frauen haben über Jahrhunderte Nachteile hinnehmen müssen.

STANDARD: Dafür kann der einzelne Mann, dem heute ein Job durch die Lappen geht, womöglich nichts.

Heinisch-Hosek: Dieses Argument lasse ich nicht gelten. Wenn Männer die Quote ungerecht finden, sollten sie zum Beispiel auch darüber nachdenken, wie sehr sie sich an der Arbeit in Haushalt und Familie beteiligen. Doch diese Fragen stellen sie sich selten bis nie. (Gerald John, DER STANDARD, 18.7.2012)