
Sängerin Neneh Cherry hat für die Impros von The Thing die Kunst des Schreis verinnerlicht.
Nickelsdorf - Und wieder erschallt der Ruf der pannonischen Outbacks hinaus nach Europa: Die Nickelsdorfer Konfrontationen machen den Ort an der burgenländisch-ungarischen Grenze wieder zum Mittelpunkt der internationalen Improvisationsmusikszene. Im Programm fehlen diesmal weitgehend die Veteranen der ersten Free-Jazz-Generation, sieht man vom Berliner Posaunistenurgestein Conny Bauer, dem britischen Pianisten Keith Tippett (mit Vokalistin und Gemahlin Julie Tippett) und dem Wahl-Nickelsdorfer Trommelmeister Paul Lovens ab.
Das hat sein Gutes, denn im Gastgarten von Hans Falbs Jazzgalerie und in den Dependancen Kleylehof und Evangelische Kirche gibt es so mehr Raum für spannende Konstellationen jüngerer Musiker und - besonders zahlreich vertreten - Musikerinnen, vor allem aus Europa:
Im Mittelpunkt steht der Auftritt von Neneh Cherry, der 48-jährigen Stieftochter von Don Cherry, die 1994 an der Seite Youssou N'Dours mit 7 Seconds die Pop-Hitparaden stürmte. Seit zwei Jahren arbeitet die in London und Schweden lebende Hip-Hop-Sängerin mit den stahlharten Improvisationsberserkern von The Thing um Saxofonist Mats Gustafsson zusammen, die ihrerseits gerne Garage-Rock-Hits geräuschvoll dekonstruieren. Im Verein mit ihnen demonstriert Neneh Cherry, dass sie auch die Kunst des Schreis verinnerlicht hat.
Die phänomenale Pariser Altsaxofonistin Christine Abdelnour (mit Andrea Neumann und Bonnie Jones) entlockt ihrem Instrument einen unerhörten, fein nuancierten Klangkosmos, ebenso das aus Beirut anreisende Improvisationstrio Mazen Kerbaj / Sharif Sehnaoui / Raed Yassin.
Zu den österreichischen Gästen zählen u. a. das umbesetzte Trio Radian (mit Martin Siewert statt Stefan Nemeth) und das österreichisch-mexikanisch-italienische Quartett Sqid um Burkhard Stangl und Angélica Castelló. (Andreas Felber, DER STANDARD, 18.7.2012)