Die Fake-Events - wie etwa eine Hasselhoff-Lesung - finden in der Buchhandlung "Komische Künste" im Museumsquartier statt.

Foto: Thomas Rottenberg

So falsch war die Spur ins MQ also doch nicht. Aber dass Otto Wanz davon gar nichts und der Info-Point des Museumsquartiers noch weniger wusste, ist trotzdem verständlich. Schließlich weiß man vermutlich ja auch beim Management von David Hasselhoff nicht, dass der Knight Rider nicht nur Artmann verehrt, sondern auch ein Rilke-Experte ist.

Letzteres sage ich allerdings, ohne auch nur den Versuch gemacht zu haben, es nachzuprüfen. Denn eines ist mir seit vergangener Woche klar: Die schöne Journalistenwahrheit, dass Recherche die schönste Geschichte zusammenhauen kann, stimmt. Heute mehr denn je. Schließlich hätte ich gerne weiter im Glauben gelebt, dass Otto Wanz immer noch Telefonbücher zerreißt.

Das Foto ohne Ort

Aber der Reihe nach. Vergangene Woche stand hier ja zu lesen, dass ich daran gescheitert war, herauszufinden, wo "Big Otto", die Catcher-Ikone meiner Jugend, auch heute noch Telefonbücher zerreißt. Auf Facebook hatte ich ein Foto einer einschlägigen Einladung gefunden - aber niemand konnte mir sagen, wo der steirische Gigant von einst da anträte. Also machte ich Wanz selbst ausfindig - und er erzählte mir die traurige Wahrheit: Dass er nämlich seit zehn Jahren eine gelähmte Hand habe. Telefonbuchzerreißen? Das war einmal.

Dennoch freute sich "Big Otto", dass man noch an ihn denke. So etwas hinterfragt man dann auch nicht. Darum gehe ich davon aus, dass ihn die Postings zur Geschichte selbst dann gefreut haben. Dennoch hätte wohl auch Otto Wanz gerne gewusst, wo heute noch mit ihm und seinem bekanntesten Nebenjob (er trat ja mitunter auch als Schauspieler und Sänger auf) geworben wird.

Komische Künste

Das Geheimnis lüftete sich rasch. Am gleichen Tag, an dem die Story online gegangen war, schrieb mir Clemens Ettenauer - und outete sich als Urheber und Aufsteller der Otto-Wanz-Werbetafel. Ettenauer ist Geschäftsführer der auf Cartoons und Satire spezialisierten Buchhandlung "Komische Künste" im - erraten - Museumsquartier. Neben der (ganz nebenbei: sehr empfehlenswerten) Fach-Buchhandlung sind die "Komischen Künste" aber auch ein Verein, ein Club, eine Galerie und ein Veranstaltungsort. Schließlich hat man sich hier ja die Förderung von Cartoon- und Satirekultur auf die Fahnen geschrieben.

"Die Tafel steht vor unserem 'Shop der komischen Künste' im Museumsquartier und es lassen sich jeden Tag ein paar Leute damit fotografieren!", schrieb Ettenauer. Und gestand freimütig, dass er und seine Leute Otto Wanz schlicht und einfach "shanghait" hätten. Allerdings keinesfalls, um sich über ihn lustig zu machen: Es handle sich - neben der Werbemaßnahme - auch "um eine Hommage an die Helden unserer Kindheit."

Stephan Hawking und das Komasaufen

Denn "Big Otto" ist nicht der einzige Star, der hier wirbt oder mit dem geworben wird, schrieb der Chef der „Komischen Künste": "Unsere Idee dahinter ist eigentlich nur, die vorbeigehenden Leute zu unterhalten bzw. auf unseren Shop aufmerksam zu machen. Deshalb haben wir angefangen, solche Tafeln zu schreiben, auf denen absurde Veranstaltungen abgekündigt werden."

Neben der Otto Wanz Tafel, so Ettenauer, habe es bisher folgende Tafeln gegeben: "David Hasselhoff liest Gedichte von H.C. Artmann (zeitweise auch: David Hasselhoff liest Rilke)." Oder: "Was war vor dem Urknall? Stephen Hawking diskutiert mit Molti, Spotzl, Pichla und Eigi. Anschließend Komasaufen!" Weitere Tafeln seien in Planung. Eines, so Ettenauer, sei ihm aber schon wichtig: Die "Hommage" bezöge sich auf alle genannten - "mit Ausnahme von Molti & Co, versteht sich".

Hasselhoff liest Rilke

Ein paar Tage später kam ich - bei der Biorama-Messe - selbst bei den komischen Künsten vorbei. Tatsächlich: "Heute 18 Uhr: Hasselhoff liest Rilke" stand da. Und - noch einmal tatsächlich - Menschen meines Alters fotografierten sich und einander immer wieder vor und mit der Tafel ab. Ein Pärchen diskutierte sogar, am Abend wieder zu kommen.

Kurz überlegte ich, den Witz aufzulösen - entschied mich aber dann dagegen: Ich weiß, ich bin ein schlechter Mensch - aber warum sollen andere nicht auch auf einen Scherz hineinfallen, dem ich selbst aufgesessen bin? (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 18.7.2012)