Wien - Beschneidung bei Buben aus religiösen Gründen ist in Österreich zwar nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, "nach herrschender Lehre" aber straffrei. Das hat das Justizministerium am Mittwoch angesichts der nach kontroversen Debatten um ein Gerichtsurteil in Deutschland auch hierzulande aufkeimenden Diskussion festgehalten. Änderungsbedarf sieht man weder im Ministerium noch bei SPÖ, ÖVP und BZÖ. Die Grünen wünschen sich eine "seriöse Debatte", die FPÖ wollte sich an der Diskussion nicht beteiligen.
Christian Manquet, Abteilungsleiter für Strafrecht im Ministerium, hatte im Ö1-Morgenjournal erläutert, "dass von einer Straflosigkeit ausgegangen wird", die Lage von der Literatur aber nicht eindeutig beurteilt werde. Der Tatbestand der Körperverletzung könne durch eine Beschneidung grundsätzlich erfüllt werden, deswegen sei man aber nicht zwingend strafbar. Bei Einwilligung eines Erwachsenen gebe es nämlich kein Problem. Ein solches könne entstehen, wenn jemand vertretungsweise für einen "Einwilligungsunfähigen" zustimmt - wie etwa Eltern bei einem Neugeborenen. In der strafrechtlichen Literatur sehe man das unbedenklich, in der zivilrechtlichen durchaus kritisch, weil eben eine Körperverletzung stattfinde und die Religionsfreiheit der Eltern der Unversehrtheit des Kindes gegenüberstehe, so Manquet.
"Minimal invasiv" vs. "Verstümmelung"
Eine Sprecherin von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) betonte dennoch die grundsätzliche Straffreiheit. "Das wollen wir auch so belassen." Anders als in Deutschland sehe man auch keinen Anlassfall für Änderungen gegeben. In der ÖVP ist man naturgemäß ähnlicher Meinung: "Rituelle minimal invasive Beschneidung von Buben" seien "aufgrund der verfassungsmäßig garantierten Religionsfreiheit erlaubt", so der Neo-Justizsprecher Michael Ikrath. "Derartige Eingriffe sind laut Justizexperten auch strafrechtlich unproblematisch."
Sein Pendant in der SPÖ, Hannes Jarolim, findet zwar, dass man das Thema religiöse Beschneidung "mit etwas Abstand unemotional" durchaus diskutieren könne. Auch wenn es keine nachhaltigen Wirkungen gebe, handle es sich schließlich dennoch um einen "Verstümmelungsakt" und es sei fraglich, ob es sich dabei um das zentrale Element einer Gesinnung handeln könne. Eine Gesetzesänderung hält er aber nicht für notwendig.
Komplexe Frage um Menschenrechte
BZÖ-Justizsprecher Gerald Grosz findet die ganze Diskussion angesichts echter Probleme wie der Wirtschaftskrise "wirklich dumm". Er sieht ebenfalls keinen Bedarf für Änderungen. Es sei wichtig, dass Religionen ihre Traditionen, die im Einklang mit der Verfassung und den Menschenrechten stünden, auch ausleben könnten. Die Beschneidung bei Buben - für Grosz nichts anderes als das Heranführen der Kinder an die Religion der Eltern - zu verbieten fände er "absolut sinnlos" und es zudem "brandgefährlich", wenn sich Politik in Religion einmische oder umgekehrt.
Anders sehen das die Grünen. Sie wünschen sich eine "fachliche und seriöse Debatte" über die aufgrund des Grundrechtskonflikts - Religionsfreiheit versus körperliche Unversehrtheit - "sehr komplexe Frage", wie Menschenrechtssprecherin Alev Korun meinte. Die Rechtslage in Österreich "scheint unklar zu sein", es sei daher Sache der Parteien bzw. des Parlaments, für Klarheit zu sorgen. Daran werde man sich auch gerne beteiligen. Eine genaue Position zur Frage des Beschneidungsverbots haben die Grünen allerdings noch nicht. Wie in der Gesamtbevölkerung gebe es auch innerparteilich unterschiedliche Meinungen, eine sorgfältige Abwägung sei nötig, so Korun. (APA, 18.7.2012)