Seit mit 9/11 der internationale Terrorismus und die organisierte Kriminalität in den Mittelpunkt der Verbrechensbekämpfung gerückt waren, wurden die diesbezüglichen Strafbestimmungen auch in Österreich wiederholt aufmunitioniert. Nun soll, wenn es nach dem Willen Justizministerin Beatrix Karls geht, erstmals das Gegenteil geschehen: Der Antimafiaparagraf 278a, der von der Polizei und der - eher gegen links als gegen rechts - anklagefreudigen Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt herangezogen wurde, um Tierrechtsaktivisten in einen kafkaesken, existenzgefährdenden Prozess zu ziehen, soll entschärft werden.

Das ist gut, ja, es ist unabdingbar. Denn aufgrund der von Karl vorgeschlagenen Paragrafenkürzung wird klargestellt, dass Bereicherung das zentrale Streben mafiöser Organisationen ist - nicht zum Beispiel der Verzicht auf Pelzverkauf von Kleiderfirmen.

Trotzdem ändert die angedachte Halbsatzstreichung nicht viel am grundlegenden Spannungsverhältnis zwischen den Bestimmungen gegen Organisationsdelikte und zivilgesellschaftlichem Engagement. Man vergegenwärtige sich etwa den vom Verfassungsschutz erhobenen, später aufgedoppelten Terrorverdacht gegen Wiener Studierende, die jetzt nur noch wegen versuchter Brandstiftung vor Gericht stehen: ein starkes Indiz, dass nicht nur der Antimafiaparagraf, sondern auch andere benachbarte Strafbestimmungen leicht als "Kanonen gegen Spatzen" eingesetzt werden können. Insofern verdienen die angedeuteten Pläne möglicher Änderungen bei Paragraf 278d ("Terrorfinanzierung") erhöhte Aufmerksamkeit.

Dass außerparlamentarische Protestformen, die politisch und wirtschaftlich Druck erzeugen, durch dichte Strafbestimmungen gegen organisierte Kriminalität erhöhter Verfolgungsgefahr ausgesetzt sind, hatten als Erste die Experten von Amnesty erkannt. Vor der Novelle der Paragrafen gegen organisierte Kriminalität 2002 warnten sie, künftig könnten etwa Ölplattform- oder Atomkraftwerkbesetzungen als Terrorismus bezeichnet werden.

Der Umstand, dass es schließlich der schon davor bestehende Antimafiaparagraf war, der so missbraucht wurde, dass daraus einer der größten Gerichtsskandale der Zweiten Republik wurde, ist ein Hinweis auf das hohe Kollateralschadensrisiko all dieser Strafbestimmungen. Elf Jahre nach dem Schock der Twin-Tower-Angriffe wäre es hoch an der Zeit, diesem Problem offen ins Auge zu blicken. (Irene Brickner, DER STANDARD, 20.7.2012)