Drei Wochen ist das sogenannte Medientransparenzgesetz in Kraft. Es ist ein schwerer Dämpfer auf den Enthusiasmus heimischer Politiker, Gutes zu tun und darüber zu kommunizieren, weil es ihnen verbietet, Werbeeinschaltungen von staatlichen oder staatsnahen Institutionen, ohne die der Bürger nicht wüsste, wie er sein Leben fristen sollte, mit ihren Porträts derart aufzurüsten, dass man dies als Selbstvermarktung auf Steuerkosten auffassen könnte.

Begreiflich, dass sich diese tiefgreifende Veränderung der Sitten in so kurzer Zeit noch nicht vollständig durchsetzen konnte. "Die Presse" listete Dienstag gleich zwei Fälle auf, in denen seit 1. Juli gegen das Gesetz gefrevelt wurde, einmal vom Wiener Wohnbaustadtrat, einmal vom Tiroler Landeshauptmann. Auch mit der Rettungsgasse hat es nicht auf Anhieb geklappt, also seien wir tolerant! Man darf indes gespannt sein, welche Auswege kontaktfreudige Politiker ersinnen werden, damit das Volk ihres Antlitzes auch fürder nicht entbehren muss. Einen Weg hat die Finanzministerin, bekanntlich der einzige Mann in der Regierung oder gar in der EU, rasch gefunden. Per "BMF - Finanzamt" flatterte kürzlich ein Brieflein ins Haus, von Maria Fekter einen Gruß. Samt Foto. Sie selbst, mit einem Lächeln, das dem der Mona Lisa nur in einer leichten Entblößung der oberen Zahnleiste nachstand.

Ganz im Banne des ärarischen Konterfeis sog man die emotional stark aufgeladene Captatio Benevolentiae ein: "Als Finanzministerin bin ich den hart arbeitenden Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in Österreich Offenheit schuldig." Die Anrede schmeichelt, aber sie weckt auf raffinierte Weise auch das schlechte Gewissen, weil man als "Steuerzahlerin und Steuerzahler" unter Fekter'schen Augen sofort sein Gewissen zu erforschen beginnt, ob man wirklich hart genug arbeitet, um sich die allerhöchste "Offenheit" der Finanzministerin auch ehrlich zu verdienen. Was tun, wenn man dem gar nicht so kleinen Stand der Pensionisten - oder, fast nicht auszudenken, gar dem der Frührentner - angehört? Oder wenn man nur noch vom Ergaunerten lebt und die Arbeit seinem Rechtsanwalt überlässt? Oder wenn man zwar arbeitet, aber es an Härte doch etwas fehlen lässt - Grenzfälle gewiss, aber sie können in die Hunderttausende gehen, wobei ausdrücklich nicht vom Dienst in der Bürokratie die Rede sei. Dürfen sie, die der "Offenheit", die uns die Finanzministerin "schuldig" zu sein wähnt, mangels Härte der Arbeit nicht würdig sind, überhaupt noch weiterlesen? Oder dürfen sie sich von der Moral der Fortsetzung erdrücken lassen: "Mir ist wichtig, dass Sie wissen, wie und wofür Ihr Steuergeld verwendet wird. Für mich hat der sorgsame und verantwortungsvolle Umgang mit Ihrem Steuer-Euro oberste Priorität."

Erhoben von dem Wissen, dass es Maria Fekter wichtig ist, die "Steuerzahlerinnen und Steuerzahler" wissen zu lassen, wie viel Prozent eines Euros so ausgegeben werden, um als "sorgsamer und verantwortungsvoller Umgang mit Ihrem Steuer-Euro" verkauft zu werden, wird den "hart Arbeitenden" das Steuerzahlen eine süße Last, und umso süßer, als ihr Antlitz - Medientransparenzgesetz hin oder her - über unseren Finanzen wacht. Vielleicht gilt die Post von Fekter ja nicht als Werbeeinschaltung im Sinne des Gesetzes, aber sie zeigt, wie hart arbeiten muss, wer Ikone werden will.

In der FPÖ ist man hin und her gerissen zwischen den äußeren Anforderungen des Populismus und den inneren des Herrenmenschentums. Parteiobmann Strache wettert in "Zur Zeit" gegen "die Finanzdiktatur durch ESM und eine schleichende Entmachtung des Volkes." Daher: "Die FPÖ verlangt eine Volksabstimmung über den ESM. Denn die Österreicherinnen und Österreicher haben das Recht, selbst darüber zu entscheiden, ob unsere Heimat diesen verhängnisvollen Weg tatsächlich beschreiten soll."

Ein paar Seiten weiter hinten fällt ein Mitarbeiter dem Chef in den Rücken. Unter dem Titel "Der Fetisch Mehrheit - Über die Fragwürdigkeit der Massendemokratie" heißt es da: "Anläßlich einer Fahrt mit der Wiener U-Bahn holte mich ein beunruhigender Gedanke wieder ein: lauter Wahlberechtigte! Schon damals wurde mir klar, daß es sich beim allgemeinen Wahlrecht um die Kopfgeburt eines Irrsinnigen handeln muß! Was ist zu erwarten, wenn man Menschen, die ihr eigenes Leben nicht zu meistern imstande sind, mittels eines Stimmzettels in die Lage versetzt, ins Leben anderer Menschen hineinzupfuschen?"

H.-C. muss sich entscheiden. (Günter Traxler, DER STANDARD, 21./22.7.2012)