Screenshot: Nawaat

"nawaat.org ist ein kollektiver, unabhängiger Blog, der von Tunesiern gemacht wird. Er erteilt all denjenigen das Wort, die es für ihr ziviles Engagement nehmen, nutzen und verbreiten", heißt es auf der Website des 2004 gegründeten Internetauftritts.

Die mehrfach preisgekrönte Seite spielte vor allem in den Monaten der tunesischen Revolution eine wichtige Rolle. Hier konnten Tunesier, wenn es ihnen gelang, die von den Internetspürhunden des Präsidenten Ben Ali errichteten Sperren zu umgehen, Informationen finden, die das Regime gerne totschwieg. Unter dem Schlagwort "Tunileaks" veröffentlichte Nawaat Akten aus Wikileaks, in denen die US-Diplomaten über das ganze Ausmaß der Korruption des Familienclans um Präsident Ben Ali und seine Frau Leila Trabelsi berichteten, sowie das Ergebnis eigener Recherchen.

Es war am Vorabend der Flucht des Staatschefs, als nawaat.org plötzlich ganz normal online zu sehen war. In einem letzten verzweifelten Versuch, sich an der Macht zu halten, hatte Ben Ali in einer Fernsehansprache das Ende der Zensur verkündet. Die Blockade fiel im selben Augenblick für Nawaat und Dutzende anderer Websites.

"Der Blog spielte eine wichtige Rolle bei der Berichterstattung über die sozialen und politischen Unruhen nach dem 17. Dezember 2010 in Tunesien", lobt die Organisation Reporter ohne Grenzen die Seite. Damals setzte der Gemüsehändler Mohamed Bouazizi in der Stadt Sidi Bouzid mit seiner Selbstverbrennung das Fanal für die Proteste, die sich schnell über die gesamte arabische Welt ausbreiten sollten. Nawaat verbreitete Tag für Tag über seine Website, Twitter und Facebook Nachrichten aus dem ganzen Land, die eine ganze Schar anonymer Hobbyjournalisten erstellte.

Im Mai 2011 weigerte sich die Nawaat-Mannschaft, einen arabischen Preis in Bahrain anzunehmen. Der Protest galt der Internetzensur in dem Golfstaat.

Bis heute ist Nawaat eine der wichtigsten Adressen, um sich über Tunesien zu informieren. Neben Nachrichten finden sich hier Analysen, Kommentare und Dossiers. (Reiner Wandler, derStandard.at, 28.8.2012)