Endlich kommt Bewegung in die deutsche Politik. Von einer bevorstehenden Sommerpause ist in Berlin nichts zu merken. Die rot-grüne Koalition hat nach monatelangen Debatten über Reformen im Wirtschafts- und im Sozialbereich konkrete Gesetzestexte vorgelegt. Nach dem Entwurf für die Gesundheitsreform wurde am Donnerstag jener für die Arbeitsmarktreformen in den Bundestag eingebracht. Am selben Tag wurde auch das Budget 2004 präsentiert und das Vorziehen der Steuerreform bestätigt. Dass die Bürger schon 2004 um 18 Milliarden Euro entlastet werden, dürfte einen positiven psychologischen Effekt haben, auch wenn an anderer Stelle Subventionen gestrichen werden. Es bleibt zu hoffen, dass dadurch die Konjunktur in Deutschland angekurbelt wird. Denn der Export dürfte nicht so schnell wieder anziehen.

Ein Anfang ist gemacht, jetzt geht es an die Umsetzung. Die Opposition - genauer: CDU-Chefin Angela Merkel - hat Unterstützung zugesagt. Merkel zeigt Führungsstärke, indem sie sich trotz der Einwände des Vorsitzenden der Schwesterpartei CSU, Edmund Stoiber, zu einem Gespräch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder getroffen hat. Sie ist offensichtlich bestrebt, nicht allzu viel Rücksicht auf die bayerischen Landtagswahlen Ende September zu nehmen, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Denn bis die Reformen - insbesondere auf dem Arbeitsmarkt - greifen, werden Monate, teilweise sogar Jahre vergehen. Damit steht der bayerische Ministerpräsident Stoiber als Bremser da.

Es ist ein Sieg der Vernunft, dass Rot-Grün, die Union und die FDP bis Mitte Juli eine Einigung über die Gesundheitsreform zustande bringen wollen. Es ist zu hoffen, dass sie auch die anderen Projekte gemeinsam in Angriff nehmen. Nur mit einer informellen großen Koalition ist der notwendige Umbau in Deutschland voranzutreiben. Allein die Ankündigung, es gemeinsam anzupacken, hat schon Aufbruchsstimmung bewirkt. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.6.2003)