Zwei israelische Soldaten gehen händchenhaltend durch die Straße. Dieses Foto sorgte international für Aufregung.

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Die Gay Pride Parade in Tel Aviv zieht jedes Jahr zehntausende Besucher aus aller Welt an.

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Ultraorthodoxe protestieren gegen das jährliche Fest. Aber nicht wegen Pinkwashings.

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Hand in Hand sind sie abgebildet. Anlässlich des "Pride-Months" im Juni 2012 publizierte das israelische Militär auf seiner Facebook-Seite ein Foto, das zwei Soldaten mit dem Rücken zur Kamera auf einer Straße zeigt. Ein harmloses Bild, würde man meinen. Doch im Falle Israels gelten offensichtlich andere Maßstäbe. Rund um dieses Foto entwickelte sich in den folgenden Wochen eine Kontroverse darüber, ob tatsächlich zwei homosexuelle Soldaten darauf abgebildet sind oder ob es gestellt wurde. Der "Guardian" berichtete, dass das israelische Militär nicht bereit sei, die Identität der Abgebildeten bekanntzugeben.

Warum die Aufregung über ein an sich harmloses Foto? Seit die Queer-Theoretikerin Jasbir Puar im "Guardian" den "homosexuellen Propagandakrieg Israels" anprangerte und die US-amerikanische Autorin Sarah Schulman im November 2011 einen ähnlichen Kommentar in der "New York Times" veröffentlichte, ist der Begriff des "Pinkwashing" in aller Munde. Abgeleitet von "Whitewashing", also eine Sache schönzufärben, wird dem Staat Israel angelastet, dass er sich mit seiner liberalen Haltung gegenüber Homosexuellen brüste und damit negative Aspekte des Nahost-Konflikts übertünchen wolle. In diesem Fall mit einem Foto auf der Facebook-Seite des israelischen Militärs.

Profiteure von Brustkrebs

Zum ersten Mal taucht der Begriff des "Pinkwashing" schon 1985 auf, allerdings in einem anderen Kontext. Die Breast Cancer Action versuchte damit jene Firmen zu identifizieren, die den Kampf gegen Brustkrebs unterstützten, aber selbst von brustkrebskranken Frauen profitierten. Seit Israel mit der Werbekampagne "Brand Israel" mehr Touristen ins Land bringen will und auch explizit die LGBT-Community anspricht, haben selbsternannte Israel-Kritiker diesen Begriff übernommen. Auch im akademischen Diskurs fasste die Thematik Fuß, so dass nun sogar die City University of New York Anfang April eine eigene Konferenz über "Homonationalism and Pinkwashing" veranstaltet.

Dazu angekündigt wurde auch die feministische Theoretikerin Judith Butler, inzwischen findet sich auf der Veranstaltungswebsite jedoch kein Hinweis mehr, dass sie teilnehmen wird. Im Fokus steht laut Einladung einmal mehr Israel, das "in Zeiten von Boykott und Kritik sein Image durch gezieltes Bewerben von homosexuellen Zielgruppen aufpolieren" wolle.

"The Next Hate Fest"?

Es bleibt tatsächlich die Frage, worin der Konnex zwischen der menschenrechtlichen Situation der Palästinenser und den Rechten von Homosexuellen in Israel bestehen soll. Nach dem gleichen Schema könnte man jede positive Anmerkung über den Staat Israel als Vertuschung bezeichnen, die den Konflikt mit den Palästinensern beschönigen will. Die fiktive Konstruktion eines Zusammenhangs zwischen den beiden Aspekten wirft deshalb die Frage nach Sinn und Zweck auf. Was wollen die Pinkwashing-Vorwürfe bezwecken? Soll Israel keine Tourismuskampagnen mehr lancieren dürfen? Soll es zugeben, dass es ein "Schurkenstaat" ist?

Alan Dershowitz wurde von mehreren Seiten für seinen überspitzten Kommentar vergangene Woche in der "New York Post" gerügt, in dem er die Pinkwashing-Konferenz in New York als "Next Hate Fest" bezeichnete. Im Kern hat Dershowitz jedoch recht, wenn er hier auch Antisemitismus diagnostiziert - denn den Argumenten der Pinkwashing-Kritiker haftet ein verschwörungstheoretisches Emblem an. Dass hinter allen Taten und Aussagen des israelischen Staates eine perfide Strategie mit weitreichender Auswirkung auf geopolitische Zusammenhänge stehen mag, diese Unterstellung kann und wird Israel nie entkräften können. Die jüdische Weltverschwörung als Projektion kennt keine Grenzen, sie macht nicht einmal halt vor den Rechten von Schwulen und Lesben.

Palästinenser flüchten nach Israel

Viel schlimmer ist aber vielleicht, dass mit dem Anprangern von "Pinkwashing" die Anliegen der LGBT-Communitys aus dem Blickfeld geraten. Anstatt die beachtlichen Freiheiten, die Israel Homosexuellen als einziges Land im Nahen Osten zugesteht, zu goutieren, werden sie abgewertet und zur Munition im Nahost-Konflikt, der offensichtlich nur zwei Seiten kennt: die gute und die böse. Die Menschenrechtssituation in Gaza und dem Westjordanland ist aber trotz der vermeintlichen Pinkwashing-Versuche Israels ein Dauerbrenner in den Medien. Die angebliche Kampagne der Israelis scheint also nicht von großem Erfolg gekrönt zu sein. 

Hingegen geraten aufgrund solcher Diskussionen die bedrohlichen Umstände, unter denen Homosexuelle im Nahen Osten leben müssen, aus dem Blickfeld. Die Angst vor Verfolgung und Todesstrafe ist Teil ihres Alltags, Flucht scheint oftmals der einzige Ausweg zu sein. Israel ist deshalb, wie der Film "The Invisible Men" zeigt, im Falle der Palästinenser auch Zufluchtsort für jene, die diesen Gefahren entrinnen wollen. Tatsächlich. (Teresa Eder, derStandard.at, 6.3.2013)