Bild nicht mehr verfügbar.

Die israelische Regierung steht mit dem UN-Büro für die Koordinierung Humanitärer Hilfe auf Kriegsfuß.

Foto: APA/EPA/Ali

Seit Jahren wird humanitäre Hilfe in der von Israel kontrollierten "Zone C" des Westjordanlandes massiv beschränkt. Stellt etwa eine Hilfsorganisation ein Zelt für Palästinenser zur Verfügung, deren Haus gerade durch die israelischen Behörden zerstört wurde, gilt dieses Zelt genauso wie das zuvor zerstörte Haus als "illegal". Warum? Israel vergibt in der Zone C, die immerhin 60 Prozent des gesamten Westjordanlandes einnimmt, nicht nur so gut wie keine Baugenehmigungen für Palästinenser, sondern auch kaum welche für humanitäre Organisationen.

Allein zwischen Jänner 2000 und September 2007 haben Palästinenser 1.624 Anträge für Baugenehmigungen an die israelische Zivilverwaltung (COGAT) in den besetzten Gebieten gestellt. Gerade mal 91 davon wurden bewilligt. Das sind rund 5,6 Prozent aller Anträge. Weil die rund 150.000 Palästinenser in der Zone C trotzdem Kinder bekommen, und hin und wieder einen neuen Stall für die Farm brauchen, bauen sie jetzt einfach ohne Genehmigung. Das Resultat: allein im letzten Jahr wurden 622 palästinensische Bauwerke zerstört und 1.100 Menschen vertrieben, sagt das UN-Büro für Humanitärer Hilfe (OCHA). Immerhin 62 der zerstörten Bauwerke waren Projekte, die von der EU großzügig gefördert wurden. Für viele weitere gibt es bereits eine Abrissorder. Die humanitäre Hilfe im Westjordanland steckt somit in der Krise.

"Nach all diesen Abrissen gibt es jetzt eine stärkere Position innerhalb der EU. Sie üben Druck auf Israel auf, um andere Spielregeln für die Zone C zu erreichen", sagt Tsafrir Cohen, Nahost-Koordinator der deutschen Organisation Medico International, die Projektvorhaben im Westjordanland umsetzt.

Eines dieser Projekte soll mit alternativen Energiewerken rund 1.500 Palästinensern Strom geben, die wegen fehlenden Genehmigungen nie ans normale Stromnetz angeschlossen werden konnten. Umgesetzt wurden die Energiesysteme von der israelischen Organisation COMET. "Wir bekommen keine Genehmigung für unsere Projekte. Dann müssen wir halt ohne bauen", sagt Eldad Orian von COMET.

Humanitäre Hilfe "politisch"

Laut einem Artikel der Zeitung Haaretz schätzten Quellen aus der israelischen Regierung die Arbeit des UN-Büros für die Koordinierung Humanitärer Hilfe (OCHA) als "illegal" ein. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Notfallunterkünfte für Palästinenser, deren Behausungen durch israelische Bulldozer zerstört wurden, und die Verbreitung von Informationen.

"Wenn die Häuser von gefährdeten Menschen im besetzten Gebiet zerstört werden, dann wird die Situation natürlich zu einem Fall für humanitäre Hilfe. Mobile Unterkünfte werden denen zur Verfügung gestellt, deren Behausungen zerstört wurden", sagt Ramesh Rajasingham, Leiter des OCHA-Büros in den Palästinensergebieten. "Und mir ist nicht bekannt, dass humanitäre Hilfe Baugenehmigungen braucht."

Die israelische Regierung sieht das nicht so. "OCHA verweigert jegliche Hilfe mit uns zu koordinieren. Sie produzieren ständig Berichte. Doch diese Berichte haben nichts mit humanitärer Hilfe zu tun, sondern sind rein politisch", kommentierte eine israelische Regierungsquelle, mit der Bitte anonym zu bleiben.
Tsafrir Cohen warnt humanitäre Organisation davor, sich aus der wichtigen Arbeit in der Zone C verdrängen zu lassen. "Wenn wir nur dort Hilfe leisten, wo es uns Israel erlaubt, werden wir zusammen mit den Palästinensern aus der Zone C verdrängt", sagt er. (Andreas Hackl/derStandard.at, 23.7.2012)