Bild nicht mehr verfügbar.

Polizisten in der Region Berg-Badachschan. Die Region im Osten Tadschikistan gelegene Provinz umfasst beinahe die Hälfte des Staatsgebietes Tadschikistans, es leben aber nur drei Prozent der tadschikischen Bevölkerung in der Region. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2009.

Foto: AP Photo/Julie Jacobson

"Es geht in erster Linie um einen Konflikt zwischen der Regierung in Duschanbe und lokalen Machthabern", sagt Andrea Schmitz von der SWP in Berlin.

Foto: SWP
Quelle: derStandard.at/Stepmap

Bei einem Militäreinsatz in der autonomen Provinz Berg-Badachschan im Osten von Tadschikistan sind am Dienstag 42 Menschen ums Leben gekommen. Andrea Schmitz von der Stiftung für Wissenschaft und Politik mit Sitz in Berlin versucht im E-Mail-Interview mit derStandard.at die Ereignisse einzuordnen.

derStandard.at: Was ist der Hintergrund des Militäreinsatzes vom Dienstag?

Schmitz: Vor einigen Tagen wurde ein hochrangiger Geheimdienstoffizier, Generalmajor Abdullo Nasarow, ermordet, der seit 2010 für Berg-Badachschan zuständig war. Das ist eine autonome Provinz im Pamirgebirge, die an Afghanistan grenzt und in der die Zentralmacht in Duschanbe kaum Autorität besitzt.

derStandard.at: Geht es um einen Einsatz gegen Schmuggler oder - wie in den Meldungen der Nachrichtenagenturen zu lesen - um den Kampf gegen islamistische Untergrundkämpfer?

Schmitz: Es geht in erster Linie um einen Konflikt zwischen der Regierung in Duschanbe und lokalen Machthabern, die selbstverständlich auch den Drogenschmuggel kontrollieren. Der ermordete Nasarow ist ihnen dabei möglicherweise in die Quere gekommen. Die Regierung nimmt dies jetzt zum Anlass für eine Strafaktion, bei der es darum geht, den Machtanspruch des Regimes von Präsident Rahmon in dieser abgelegenen, aber strategisch wichtigen Region geltend zu machen.

derStandard.at: Ist der Militäreinsatz als Nachwehe des Bürgerkrieges in den 1990er Jahren einzustufen?

Schmitz: In gewisser Weise ja. Berg-Badachschan strebte damals die Unabhängigkeit an. Das Oppositionsbündnis, das damals das postkommunistische Regime bekämpfte, hatte in dieser Region großen Rückhalt. Die Protagonisten der jüngsten Ereignisse (der ermordete Geheimdienstoffizier ebenso wie der Befehlshaber des tadschikisch-afghanischen Grenzabschnitts, der für die Ermordung verantwortlich gemacht wird, Tolib Ajombekow) gehörten damals dem Oppositionsbündnis an. 

derStandard.at: Schwelen die alten Konflikte weiter?

Schmitz: Der Bürgerkrieg endete unter der Bedingung, dass die Opposition an der Regierung beteiligt wurde. Der Antagonismus zwischen Präsident Rahmon und seinen ehemaligen Gegnern blieb aber bestehen, zumal diese in ihrem Herkunftsgebiet viel größere Autorität besitzen als die Zentralregierung. Deshalb hat Rahmon sie im Lauf der Jahre aus der Regierung herausgedrängt, so wie Tolib Ajombekov, dessen Leuten der Mord an Nasarow zur Last gelegt wird.

derStandard.at: Welche Rolle spielt Tolib Ajombekow?

Schmitz: Die Einzelheiten sind unklar, es ist aber davon auszugehen, dass Ajombekow in den Tod Nasarows irgendwie verwickelt ist. Ajombekov selbst hatte dies in einem Interview auch eingeräumt, jedoch behauptet, der Tod Nasarows sei ein Unfall gewesen. Nasarow sei während einer von ihm selbst provozierten Auseinandersetzung mit Ajombekows Leuten unglücklich gestürzt. Die Regierung in Duschanbe nehme den Vorfall nun zum Anlass, um gegen ihn und andere ehemalige Bürgerkriegskommandanten vorzugehen. Tatsächlich werfen die tadschikischen Sicherheitsbehörden Ajombekow vor, eine paramilitärische Einheit zu befehligen, die in den Schmuggel von Tabak, Drogen, Edelsteinen und andere kriminelle Geschäfte verwickelt sei.

derStandard.at: Welche Version halten Sie für glaubwürdiger?

Schmitz: Die beiden Versionen widersprechen einander durchaus nicht. Wenn man sie beide zusammenlegt, kommt man der Wahrheit wahrscheinlich sehr nahe.

derStandard.at: Spielt Religion eine Rolle in der Auseinandersetzung zwischen der Zentralregierung und der Region Berg-Badachschan?

Schmitz: Nicht primär bzw. nur insofern, als der Machtanspruch der Regierung auch die Deutungshoheit über religiöse Fragen umfasst. (Michaela Kampl, derStandard.at, 25.7.2012)