London - Der Skandal um Zins-Manipulationen zieht immer weitere Kreise: Jetzt gerät auch die britische Großbank Lloyds ins Visier der Ermittler. Das Institut teilte am Donnerstag mit den Halbjahreszahlen mit, Vorladungen von verschiedenen Behörden erhalten zu haben. Es gehe aber nur darum, Informationen zu liefern. Rückstellungen für eventuelle Strafzahlungen seien deshalb bisher nicht nötig. Vorstandschef Antonio Horta-Osorio versprach schnelle Aufklärung. In spätestens sechs Monaten werde klar sein, welche Rolle sein Haus in der Affäre gespielt habe. Die heimische Rivalin Barclays hatte als erste Bank ein Fehlverhalten einiger Händler eingeräumt. Das kostete das Institut eine halbe Mrd. Dollar (408 Mio. Euro) und den Vorstandschef den Job.

Imagekratzer zugegeben

Lloyds demonstrierte Gelassenheit. Die Bank sei den Vorwürfen der Zins-Manipulation intern selbst nachgegangen, sagte Horta-Osorio. Er wolle den Ergebnissen der externen Ermittler nicht vorgreifen, aber bisher gebe es keinerlei Anlass, irgend jemanden zu entlassen. Auch Finanzdirektor George Culmer sieht im Moment keinen Handlungsdruck: "Wir sind Teil einer laufenden Ermittlung, und so lange die Aufseher ihre Untersuchungen nicht abgeschlossen haben, gibt es keinen Grund, Geld für irgendetwas zurückzulegen." Details zu den Vorladungen nannte die Bank nicht. Es hieß lediglich, die betroffenen Bereiche arbeiteten eng mit den Behörden zusammen.

Die Ermittlungen drehen sich im Kern um den internationalen Referenz-Zinssatz Libor, den mehr als ein Dutzend Banken in den Jahren 2005 bis 2009 zu ihrem eigenen Vorteil manipuliert haben sollen. Der Referenzsatz wird in verschiedenen Währungen ermittelt und liegt quasi allen Finanztransaktionen am Markt zugrunde. Rund um den Globus gehen Regulierer derzeit der Frage nach, ob einzelne Händler-Ringe hinter den Tricksereien stehen oder ob die Führungsebene in den jeweiligen Banken in die Vorgänge eingeweiht war. Auch die Deutsche Bank ist von den Ermittlungen betroffen. Doch auch sie hat im zweiten Quartal allem Anschein nach keine signifikanten Rückstellungen für Libor gebildet. Das legen zumindest die vorläufigen Quartalszahlen nahe. Der vollständige Zwischenbericht steht am kommenden Dienstag an.

Lloyds-Chef Horta-Osorio räumte ein, dass die Zins-Affäre, die weltweit Schlagzeilen machte, das Image der Banken nach einer Reihe von Handelsskandalen weiter ruiniert. "Die Branche steckt ganz klar in einer tiefen Vertrauenskrise", sagte er.

Vom Staat gerettet

Börsianer verunsicherten die Libor-Ermittlungen bei Lloyds. Die Aktie rutschte am Nachmittag 1,5 Prozent ins Minus, während der europäische Bankenindex über drei Prozent fester notierte. Dabei fielen die Halbjahreszahlen - mit denen Lloyds den Auftakt bei den britischen Geldhäusern machte - besser aus, als Analysten erwartet hatten: Der operative Gewinn kletterte um 715 Mio. Pfund (913 Mio. Euro) auf knapp 1,1 Milliarden.

Das Institut musste in der Finanzkrise vom Staat gerettet werden und ist seither auf Sanierungs- und Schrumpfkurs. Der zahlt sich offenbar mehr und mehr aus. Investmentbanking betreibt Lloyds nicht - und ist damit auch nicht so stark von der Schuldenkrise belastet wie andere. Dafür ist die Bank im heimischen Privatkundengeschäft der Platzhirsch.

Hier allerdings musste sie nun weitere 700 Mio. Pfund für die Entschädigung von Kunden beiseitelegen, die beim Verkauf von Restschuldversicherungen (PPI) falsch beraten wurden. Insgesamt hat das Lloyds bislang über vier Milliarden Pfund gekostet. Zwar haben auch die anderen Banken auf der Insel ihren Kunden zuhauf unnötige Versicherungen aufgeschwatzt. Doch bei keinem anderen Haus sind die Entschädigungslasten so hoch. (APA, 26.7.2012)