Graz - Einen Schlüsselmechanismus bei der Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer haben Wissenschaftler an der Universität Graz identifiziert. Erstmals sei im Detail beobachtet worden, wie eine Wechselwirkung mit einem Protein namens SERF zum krankhaften Zusammenklumpen bestimmter Proteine führt, die dadurch ihre Aufgaben nicht mehr korrekt erfüllen können, teilte die Universität Graz mit. Die Erkenntnisse wurden in der jüngsten Ausgabe des Fachjournals "Cell Reports" online veröffentlicht.

Gefangen in geistiger Demenz, festgefahren zwischen Muskelzittern und Bewegungslosigkeit: Morbus Alzheimer und Morbus Parkinson schränken die Lebensqualität drastisch ein. Bei diesen und anderen sogenannten amyloiden Krankheiten wie Creutzfeldt-Jakob und Chorea Huntington verlieren bestimmte Proteine im Interstitium, also zwischen den Nervenzellen, ihre ursprüngliche dreidimensionale Struktur und falten sich falsch ein - in der Wissenschaft "protein misfolding" genannt. Sie verbinden sich zu fadenförmigen Fasern, sogenannten "Amyloiden", wodurch sie ihre Funktionen für den Ablauf biochemischer Prozesse in den Zellen nicht mehr erfüllen können.

Schädliche Ablagerungen

Bei absterbenden Nervenzellen im Gehirn lassen sich solche amyloide Ablagerungen beobachten. Fabio Falsone und sein Team vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Graz hat im Rahmen eines vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF geförderten Forschungsprojekts die Schlüsselproteine im Labor isoliert. "So konnten wir - unabhängig von anderen zellulären Prozessen - beobachten, was geschieht, wenn diese Proteine bestimmten Einflüssen ausgesetzt sind", so Falsone.

"Die Amyloidbildung - die faserförmige Aggregation - all dieser Proteine wird beschleunigt, wenn sie mit einem weiteren Protein namens SERF wechselwirken", schildert der Wissenschafter das Ergebnis der Untersuchungen. "SERF, das in den meisten Zellen vorkommt, bindet an die Proteine und verändert ihre Struktur, sodass sie Amyloide bilden, unabhängig von anderen Faktoren, so Falsone im Detail. Unspezifische Aggregationsprozesse werden hingegen nicht beeinflusst: "Das lässt vermuten, dass SERF ein einzigartiger amyloidfördernder Faktor ist", meint Falsone.

Ermöglicht wurden die Einblicke mittels der Methode der Kernspinresonanzspektroskopie (NMR), mit der sich Proteine und deren Wechselwirkungen auf atomarer Ebene betrachten lassen. So kannten die Forscher die exakten Bindestellen zwischen SERF und amyloiden Proteinen bestimmen. In weiteren Untersuchungen will das Team, an dem auch Mitarbeiter des Instituts für Chemie und Wissenschafter der Med-Uni Graz beteiligt sind, herausfinden, aus welchem Grund ein körpereigenes Molekül wie SERF einen schädlichen Prozess wie die amyloide Aggregation in Gang setzt. Zu Falsones Kooperationspartnern zählen auch Arbeitsgruppen in Australien und den Niederlanden. (APA, 27.7.2012)