Er ist Wiener. Kein Peter Alexander, aber wenn ich wegschaue und seinem Dialekt zuhöre, wird mir warm ums Herz. Diese Mundart ist irgendwie romantisch. Da denkt man an den Wiener Prater, an Pferdekutschen und Riesenrad. Keineswegs romantisch ist jedoch, was dieser Wiener zu erzählen hat.

Er hat einen erwachsenen Sohn, den er vor fast drei Jahrzehnten verlassen hatte. Die Entfremdung, der Verlust eines Elternteils schmerzt ein Leben lang. Es ist eine offene Wunde, die schwerlich heilt. Elternentfremdung, parental allienation syndrome (PAS), ist als schädigendes Ereignis für Menschen erkannt worden. Auch viele Großeltern kennen PAS, selbst wenn sie dieses Wort nie benutzt haben. Jeder, der erleben muss, wie der Kontakt zu einem kleinen Kind einfach abgebrochen, niedergerissen und schlechtgemacht wird, der kann ein trauriges Lied von der "Entfremdung" singen. Oft spielt die leibliche Mutter des Kindes dabei eine unrühmliche Rolle. Der erwachsene Sohn des Wieners heulte am Telefon Rotz und Wasser, als er dem Vater mitteilte, wie sehr er ihn vermisste.

Nach Jahrzehnten im Ausland ist der Wiener wieder heimgekehrt. Nicht nach Österreich, aber nach Deutschland. Er hat wieder ein Kind, einen Sohn. Die Beziehung bricht auseinander. In der Statistik ist er einer von vielen. Trennung und Scheidung sind in der Öffentlichkeit kein " Aufreger" mehr. Doch im Einzelschicksal und erst recht fürs Kind bleiben Trennung und Scheidung der familiäre "Super-GAU". Das schönt auch kein Gerede um mögliche Vorteile von sogenannter sozialer Elternschaft und Patchworkfamilie. Ersteres ist ein Ersatz, und Patchwork bleibt ein Fleckerlteppich.

Diesmal will es der Wiener besser machen. Er hat dazugelernt wie die meisten Männer in unserem Kulturkreis. Oft schmerzhaft unter den Schlägen der "lila Faust", die den Männern unter die Gürtellinie haut.

Dieser Wiener ist in den vergangenen Wochen schmaler geworden, weil die von seiner Frau initiierten "Schlachtpläne" mithilfe von Ämtern und Behörden gut funktionieren. Es ist erst wenige Monate her, und doch scheint es in einer anderen Welt, zu einer anderen Zeit gewesen zu sein. Braungebrannt saß er im Cockpit eines kleinen Passagierflugzeuges, flog über die Berge und das Meer. Zu Hause wartete die Frau mit dem neugeborenen Kind. Noch war heile Welt.

Nun in der Heimat der Mutter seines Kindes dauert es nur wenige Tage, da sind Frau und Kind plötzlich verschwunden. In der Wohnung fehlen wichtige Dokumente und zwei Koffer. Gegen Abend ruft er die Polizei an, um die beiden geliebten Menschen als vermisst zu melden. Der freundliche Polizeibeamte teilt ihm mit, dass Frau und Kind in einem Frauenhaus in Sicherheit sind. Sicherheit?

Erin Pizzey eröffnete in den 1970ern das erste Frauenhaus in England. Nach 40 Jahren schreibt sie ihre Memoiren und beschreibt darin auch die Anfänge des Geschlechterkriegs und das Handeln der feministischen Kriegshetzerinnen jener Zeit. Pizzey muss mit ansehen, wie sich die feministischen Kreise ihrer guten Idee bemächtigen und ihre Ideale ins öffentliche Bewusstsein einbrennen - bis heute und fast weltweit.

Nehmen wir z. B. die sogenannte Frauenquote. "Mit Freiwilligkeit kommen wir nicht weiter", glaubt nicht nur die österreichische Frauenministerin Heinisch-Hosek und fordert eine gesetzliche Frauenquote in der Privatwirtschaft. Damit wünscht sie sich herbei, was man in Norwegen bereits kess "Goldröcke" nennt. Dort hat man die gesetzliche Frauenquote eingeführt und nicht beachtet, dass das weibliche Personal in der notwendigen Quantität überhaupt nicht vorhanden ist. So besetzen einzelne Elitefrauen bereits mehrere Vorstandsposten gleichzeitig und werden unverdient zur "Goldmarie".

Das beste Personal zuerst

Großunternehmen wie möglicherweise auch die Telekom sehen nicht ausschließlich in den Frauen ein Potenzial, sondern darin, weltweit das beste Personal zu rekrutieren. So bekommt die hochqualifizierte Inderin die gleiche Chance wie die hochqualifizierte Mitarbeiterin aus Deutschland oder Österreich. Konzerne mit gemischten Führungsteams sind erfolgreich. Die Mischung nach Geschlecht ist dabei aber nur eine Teilkategorie.

Gewisse Politiker, die eine Frauenquote immer noch fordern, tun so, als wenn andere Fachleute ihre Hausaufgaben nicht gemacht hätten. Niemand wird eine motivierte, talentierte, toll ausgebildete Frau vor der Tür stehen lassen. Gewisse Politiker und Lobbyisten wollen per Dekret und ohne Rücksicht auf die Eigenständigkeit eines Wirtschaftsunternehmens die Frauenquote durchboxen. Wenn das nicht borniert ist?

Kann die Begründung zur Berufung einer Frau in den Aufsichtsrat oder den Vorstand wirklich die sein, dass ihr "Geschlecht" auf dieser Ebene unterrepräsentiert ist? Darf man argumentativ die "Jahrhundertkeule" schwingen und von der immerwährenden, allgemeinen Unterdrückung von Frauen durch Männer reden und dabei einfach ignorieren, dass auch Frauen ihren eigenen unrühmlichen Anteil an unserer gemeinsamen Geschichte haben? Auf diese Dinge hinzuweisen ist nicht antifeministisch, sondern ehrlich!

Wer den Vorschlag macht, per Gesetz und automatisch die gemeinsame Obsorge von Mutter und Vater für ein Kind einzuführen, gerät schnell in den "feministischen Hexenkessel". Da heißt es gleich, man würde sogenannte "Väterrechtler" unterstützen. Schlimmstenfalls wird man einfach in die politisch rechte Ecke gestellt. Es wird einem untergeschoben, man würde das Wohl des Kindes und seine Rechte nicht im Blick haben. Hiermit versucht man dem Rest der Gesellschaft Sand in die Augen zu streuen.

Gewisse Kreise behaupten, dass engagierte Väter nicht ausgesperrt würden. Mehr als zwanzig Prozent der sorgeberechtigten Mütter wollen aber nicht, dass der sorgeberechtigte Vater sein Kind sieht, stellte die deutsche Justizministerin in einer Studie fest. Man kann doch nicht einfach ignorieren, dass das Gros der Väter bereits nach zwei Jahren so gut wie keinen Kontakt mehr zum Kind hat. Nicht, weil diese Männer das nicht wollen, sondern weil es die Mütter so arrangieren!

Die Mutter nimmt sich das Recht, den Wohnsitz des Kindes allein und frei zu wählen. Sie meldet im Kindergarten an oder ab, sie unterschreibt Zeugnisse und ist oft der einzige und erste Kontakt zu Betreuungs- und Bildungseinrichtungen, Frontfrau für die Ansprechpartner in Ämtern.

Kinder gehören niemandem und schon gar nicht der Mutter allein. Von diesem falschen Ideal sollten sich Frauen endlich trennen und die Väter ihrer Kinder sowie die Familiengemeinschaften in das Leben des Kindes integrieren. Damit würden wir Frauen auch dazu beitragen, den Kindern Ressourcen zu eröffnen, die nur ein Vater bieten kann.

Ist die alleinige Obsorge der Mutter nicht rückständig? Mit welchem Recht muss sich der Vater "bewähren und rechtfertigen", während dies die Mutter nicht muss? Die automatische gemeinsame Obsorge wäre in Österreich ein positives Signal in die Gesellschaft hinein: Männer, Väter seid uns willkommen!

Der Wiener hat seine Odyssee durch das deutsche Familienrecht noch nicht beendet, aber einen Herzinfarkt hinter sich. Ich drücke seinem Kind die Daumen, dass ihm sein Vater erhalten bleibt. (Monika Ebeling, DER STANDARD, 28./29.7.2012)