Während seines ersten Wahlkampfs im Jahre 2008 war die Verschärfung der Waffengesetze eines der Topthemen des zur Wahl angetretenen nunmehrigen US-Präsidenten Barack Obama. Als er vor wenigen Tagen nach Colorado kam, um der zwölf Opfer des "Batman"-Attentäters James Holmes zu gedenken, sagte er dazu kein Wort. Was immer er geäußert hätte, seine Chancen wären gesunken. Denn in diesen Tagen stürmten Ängstliche und Waffennarren die Fachgeschäfte, um sich mit Handfeuerwaffen einzudecken. Seit 2004 kann man in den USA selbst Sturmgewehre frei erwerben.

Dieser "Persilschein" war eine Folge des islamistischen Terrors von 9/11. Das schon in der Verfassung von 1787 enthaltene Recht zum Waffenbesitz im Sinne einer Selbstverteidigung wurde damit zum Recht auf private Präventivschläge. Ganz im Sinne der religiös verbrämten Gewaltideologie des Präsidenten George W. Bush. Die amerikanische "Zivilgesellschaft" ist seither bewaffnet bis an die Zähne. 83 von 100 Erwachsenen sind Waffenbesitzer.

Der Attentäter selbst, neben Pistolen auch mit Sturmgewehr im Gewaltgepäck, wurde selbst von europäischen Medien (z. B. "Spiegel online") sofort im Sinne einer Biertischdiagnose als "Wahnsinniger" bezeichnet. Und eine Woche nach der Tat berichteten US-Zeitungen von Besuchen Holmes' bei einer Psychotherapeutin, ohne von ihr eine Bestätigung eingeholt zu haben.

Wie beim (mutmaßlichen) norwegischen Massenmörder Anders Breivik wird versucht, den Täter von der Gesellschaft, in der er gelebt hat, zu isolieren - ohne über ein Beweismittel zu verfügen.

Hätten Holmes oder Breivik eine arabische Abstammung, wäre den Journalisten nie in den Sinn gekommen, die Attentäter als Fall für die Nervenklinik zu beschreiben. Abgesehen davon, dass Islamisten in der Regel keine Psychiater oder Psychologen aufsuchen: Diese Art von Gewalttätern wird sofort mit Religion und Herkunftsvolk identifiziert, der Islam ganz allgemein als mitverantwortlich bezeichnet, und sei es auch nur in Form der Aufforderung, islamische Funktionäre und Imame hätten sich sofort von jeglicher Art der Gewalt zu distanzieren.

Ganz in der Tradition seines Vorgängers hätte Obama nach dem "Batman"-Massaker nicht geschwiegen, wäre Holmes vor seiner Tat vom Protestantismus zum Islam übergetreten. Er hätte zwar nicht wie Bush zu einem Kreuzzug aufgerufen, aber er hätte verschärfte Sicherheitsmaßnahmen verfügt. Und die Moslems von Colorado wären sofort gefilzt und überwacht worden. Um seine Wiederwahlchancen offenzuhalten, hätte Obama das tun müssen (wenn er innerlich nicht ohnehin schon "umgedreht" ist).

Für nichtmuslimische Täter gilt also nicht nur die individuelle Schuld, sondern auch noch der "Verdacht" einer reduzierten, weil krankhaft geschwächten Verantwortung. Muslimische Täter sind nicht nur persönlich voll verantwortlich. Ihr engeres und weiteres Umfeld ist mitschuldig.

Das gilt nicht nur für die USA, sondern auch für Europa. Siehe Norwegen. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 30.7.2012)