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Mitt Romney an der Klagemauer.

Foto: EPA/ABIR SULTAN

Das Aufatmen muss bis zur Tower Bridge zu hören gewesen sein. Als Mitt Romneys Chartermaschine am Samstag vom Londoner Flughafen Stansted abhob und Kurs auf Tel Aviv nahm, schienen für einen Moment all die Patzer vergessen, die dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten auf seiner Reise über den Atlantik bislang unterlaufen waren.

Der überaus herzliche Empfang des Mormonen und seiner Gönner in Israel rührt nicht nur von den Jugenderinnerungen Romneys und des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu her, die in den 70er Jahren in Boston gemeinsam als Unternehmensberater tätig waren. So wie die Berliner vor vier Jahren Barack Obama an der Siegessäule wie einen Messias feierten, weil er das Ende der bleiernen Bush-Jahre verhieß, so dankbar war das offizielle Jerusalem für die - freilich wohlkalkulierte - Sympathiebekundung Romneys an diesem Wochenende.

Und so unbeholfen Romney im Wahlkampf bisweilen agiert, sein Besuch in Israel füllte ein Vakuum in Obamas Außenpolitik. Zwar verbittet sich die rechte israelische Regierung mit Nachdruck jegliche Wahlpräferenzen. Dass sie den Republikaner lieber heute als morgen im Weißen Haus sähe, liegt aber auf der Hand: Obamas Amerika hat Israel sträflich vernachlässigt.

Der demokratische, von drei Vierteln der jüdischen Wähler ins Amt gewählte US-Präsident besuchte seit seinem Amtsantritt Saudi-Arabien, Ägypten und die Türkei, den Irak sowieso. In Israel war er nach seinem Wahlkampfbesuch 2008 nicht mehr. Die Allianz zwischen Washington und Jerusalem ist die Lebensversicherung des jüdischen Staates. Seit Obama im Amt ist, erscheint diese brüchig wie nie zuvor.

Das präsidiale Bestehen auf Verhandlungen auf Basis der israelischen Grenzen von 1967 hat nicht etwa den Nahostkonflikt gelöst, sondern die Fronten gefährlich verhärtet. Dass Israel immer beharrlicher auf einen abenteuerlichen militärischen Alleingang gegen das iranische Atomprogramm drängt, ist auch der Frustration über die amerikanische Ignoranz geschuldet.

Das langgehegte Dogma der Solidarität Washingtons mit seinen Verbündeten in Jerusalem gilt allen Waffenlieferungen zum Trotz eben nicht mehr uneingeschränkt. Israel, in den meisten internationalen Gremien ohnehin ins Abseits gedrängt, fühlt sich mehr und mehr isoliert. Je weniger Unterstützung es aus den USA erfährt, desto trotziger reagiert es.

Dass das winzige Land nun einen außenpolitisch unbeleckten Ex-Gouverneur hofiert wie einen Staatsmann, verrät mehr über das Scheitern Obamas im Nahen Osten als über den wenig weltgewandten Republikaner. (Florian Niederndorfer, derStandard.at, 30.7.2012)