Ein häufig vorgebrachtes Argument der BefürworterInnen von Nummerntafeln ist, dass dadurch Unfälle zwischen Radlern und FußgängerInnen verhindern werden würden, da Radler durch die derzeitige Anonymität zum Rowdytum verleitet werden. Meine Nachforschung in den (spärlichen) Statistiken ergab aber, dass nur 0,8 Prozent der Verletzungen im Straßenverkehr von Unfällen zwischen FahrradfahrerInnen und FußgängerInnen herrühren.

Politik wünscht sich mehr Rücksichtnahme im Verkehr

Vergangenen Donnerstag dachte der Wiener Bürgermeister Michael Häupl über Nummerntafeln für Fahrräder nach und hielt es "für eine interessante Idee", um mehr Rücksichtnahme im Verkehr zu erreichen. City-Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel begrüßte den Vorschlag: Sie habe schon vor Jahren Kennzeichen für Fahrräder verlangt, da es immer wieder zu Unfällen "mit zu rasch und rücksichtslos fahrenden Radfahrern" gekommen sei. Fußgänger seien "Fahrrad-Rowdys" bisher hilflos ausgeliefert. Oft komme es zu Fahrerflucht oder auch zu "Fast-Unfällen".

Nummerntafeln für Fahrräder werden also gefordert, um Unfälle zwischen FahrradfahrerInnen und FußgängerInnen zu verhindern. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass leichtere Identifikation und damit auch potenzielle Bestrafung zu regelkonformeren Verhalten führen würden. Aber die für mich interessanteste Frage hierbei ist, wie viele Unfälle dieser Art es denn überhaupt gibt und wie groß also der potenzielle Nutzen von Nummerntafeln wäre.

Spärliche Datenlage

Die (spärlichen) Statistiken zum Thema, auf die ich als Erstes gestoßen bin, listen nur auf, wie die jeweiligen Unfallopfer unterwegs waren. So wurden 2011 insgesamt 3.646 Fußgänger österreichweit verletzt und 87 getötet. Die "Tatwaffe" wird hier allerdings nicht angegeben (vergleiche hierzu die Daten der Statistik Austria).

Aber ein bisschen Graben in den Datenquellen zahlt sich manchmal aus. Im "Basic Fact Sheet - Radfahrer" (aktuellste Version aus dem Jahr 2010), gefunden auf der Website der Bundesanstalt für Verkehr, findet sich auf Seite neun eine Grafik, in der drei Prozent der Fahrradunfälle als "Fußgängerunfälle" ausgezeichnet sind. Zwei Seiten weiter spricht Tabelle fünf von 296 Fußgängerunfällen (bei denen 159 RadfahrerInnen verletzt wurden).

Wir fassen zusammen: 2010 gab es laut Statistik Austria und dem "Basic Fact Sheet - Allgemeine Kennzahlen" 35.348 Unfälle mit 45.858 Verletzten (und 552 Getöteten). Davon waren 296 Unfälle (das sind 0,8 Prozent) zwischen Fahrrad und FußgängerInnen. Selbst wenn man nicht den gesamten Straßenverkehr betrachtet, sondern nur die Fußgänger, ist der Anteil der von Kollisionen mit Fahrrädern verursachten Verletzungen gering: 2012 wurden 3.722 FußgängerInnen verletzt, die oben ermittelten 296 Verletzungen mit Fahrradbeteiligung ergeben also knapp unter acht Prozent.

Kanonen auf Spatzen

Ich denke, solange es fast doppelt so viele Tote im Straßenverkehr gibt wie Unfälle zwischen FußgängerInnen und FahrradfahrerInnen, sollten sich Maßnahmen finden lassen, die mehr zur Sicherheit im Straßenverkehr beitragen, als Nummerntafeln auf Fahrräder zu montieren. Zum Beispiel Tempo 30 in der ganzen Stadt und für alle - auch für Radler.

PS: Sollte jemand bessere Daten haben (insbesondere in Bezug auf die "Tatwaffe" bei Verletzungen im Straßenverkehr): Her damit!

PPS: Ja, viele Unfälle werden wohl gar nicht gemeldet. Vermutlich, weil die meisten davon sehr glimpflich ausgehen. (Thomas Klausner, Leserkommentar, derStandard.at, 31.7.2012)