Zürich - Die Euro-Käufe im großen Stil zur Verteidigung des Mindestkurses von 1,20 Franken haben die Euro-Bestände der Schweizerischen Nationalbank (SNB) stark aufgebläht. 60 Prozent der Devisenreserven von 365 Mrd. Franken (304 Mrd. Euro) entfielen per Ende Juni auf die Gemeinschaftswährung, wie der am Dienstag von der Notenbank veröffentlichten Halbjahresbilanz zu entnehmen ist. Die SNB sitzt auf knapp 183 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Der permanente Euro-Rettungsschirm ESM soll Euro-Ländern mit Krediten von bis zu 500 Mrd. Euro beistehen können.

Seit Ausbruch der Euro-Schuldenkrise flüchten verunsicherte Anleger in Scharen in die Schweizer Währung. Vor einem Jahr trieben sie den Franken praktisch auf Parität zum Euro hoch, bevor die SNB im vergangenen September die Notbremse zog. Ein steigender Franken verteuert die Exporte, wegen sinkender Importpreise droht Deflation. Kritik am Euro-Mindestkurs ist in der Schweiz inzwischen verstummt. Vor allem rechtskonservative Politiker hatten sich besorgt gezeigt, dass sich das Land damit von der Wirtschaftspolitik in der EU abhängig mache. Auch international besteht Erklärungsbedarf, denn faktisch stellt das Vorgehen der SNB eine Subventionierung der Exporte dar. Die Schweizer Ausfuhren haben sich in den letzten Monaten trotz der Konjunkturflaute im Hauptabsatzmarkt Europa erstaunlich gut entwickelt.

Wind aus den Segeln

In einer Hinsicht dürfte der Halbjahresbericht der SNB ihren Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Dank hoher Zins- und Dividendenerträge auf ihre Fremdwährungspositionen und Bewertungsgewinnen auf ihre Goldbestände wies die Notenbank einen Semestergewinn von 6,5 Mrd. Franken aus.

Das SNB-Ergebnis hat durchaus konkrete Bedeutung: Fällt die Gewinnabführung der Notenbank an die öffentliche Hand aus, könnten einzelne Kantone zu Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen gezwungen sein. Als die Aufwertung des Frankens 2010 ihren Anfang nahm und die SNB bei höheren Kursen als heute Euro gegen Franken zu kaufen begann, fuhr die Notenbank einen Rekordverlust von fast 20 Mrd. Franken ein und es wurden Rufe nach dem Kopf des damaligen SNB-Präsidenten Philipp Hildebrand laut. 2011 fiel dann wieder ein Gewinn von 13,5 Mrd. Franken an.

Ihre Devisen, die inzwischen nahezu drei Viertel des Schweizer Bruttoinlandsproduktes (BIP) betragen, legt die Notenbank zu einem großen Teil in ausländischen Staatsanleihen an. Neben dem Euro ist der Dollar die wichtigste Währung: Noch gut ein Viertel der Reserven entfällt auf den Greenback. Der Rest verteilt sich auf Yen, Pfund Sterling und andere Währungen, zu denen neben Singapur-Dollar oder australischen Dollar neuerdings auch südkoreanische Won zählen. (APA/Reuters, 31.7.2012)