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Mit dem Niedergang Nokias öffnet sich in Finnland die Tür zusehends für innovative Start-ups.

Foto: Reuters

Mit Moody's hat zuletzt eine weitere Agentur das Rating für den in die Krise geschlitterten Handyriesen Nokia gesenkt. Während Finnlands wirtschaftliches Aushängeschild der vergangenen Jahrzehnte sich selbst und den letzten Getreuen weiter Mut zu machen versucht, rüstet man in Helsinki bereits für eine neue Ära.

Stellenabbau bei Nokia steht bevor

"Wir unternehmen rasche Schritte, um Nokia für künftiges Wachstum und Erfolg zu positionieren", reagierte Nokia-Finanzdirektor Timo Ihamuotila auf die Moody's-Entscheidung in einer beinahe schon hilflos wirkenden Aussendung. Noch wagen in Finnland nicht alle offen auszusprechen, was Sache ist. Dass die Lage beim Ex-Handy-Weltmarktführer nach vielen Rückschlägen alles andere als rosig ist, darüber ist man sich aber auch im Nordwesten Europas im Klaren.

"Die Lokomotive schwankt", nahm sich Wirtschaftsminister Jyri Häkäminen zuletzt kein Blatt mehr vor den Mund, und auch Staatsbankdirektor Erkki Liikanen räumte angesichts der bevorstehenden Kündigung tausender Nokia-Mitarbeiter ein, dass es dem einstigen Vorzeigeunternehmen nicht gutgeht (der WebStandard berichtete). Beide sprachen aber auch jene Hoffnung aus, die sich angesichts einiger Shooting-Stars in der finnischen IT-Branche anbietet: Durch die Freisetzung von hochqualifizierten Arbeitskräften entsteht in Finnland ein ungeheures Know-how-Reservoir, das es zu fördern gilt.

"Unternehmer-Brutkasten" als Gegenmaßnahme

Erste Maßnahmen wie der "Unternehmer-Brutkasten" ("Yrityshautomo") der aus drei Hochschulen zusammengelegten Aalto-Universität zeugen davon, dass es den Politikern ernst ist. Beispiele für höchst erfolgreiche Start-ups gibt es schon einige: Die bereits Jahre vor der Nokia-Krise gegründete Firma Rovio landete mit dem 2009 veröffentlichten Handyspiel Angry Birds einen Welthit. Der Spiele-Entwickler aus Helsinki will bereits eine Milliarde Downloads der "Zornigen Vögel" registriert haben. In einer Umfrage unter finnischen IT-Absolventen war das mit rund 400 Mitarbeitern vergleichsweise immer noch winzige Unternehmen zuletzt bereits auf Platz vier auf der Wunschliste künftiger Arbeitgeber - nach Google, Microsoft und Nokia.

Ehemalige Nokia-Mitarbeiter

Daneben gibt es eine Reihe weiterer Beispiele. So etwa den Handy-Entwickler Jolla, fast ausschließlich aus ehemaligen Nokia-Ingenieuren rekrutiert, der auf Basis des Betriebssytems Meego ein revolutionäres Smartphone plant. Dabei visieren die Jolla-Leute insbesondere den chinesischen Markt an. Mit dem Maßschneidern von sozialen Netzwerken für Sportfanatiker befassen sich Sofanatics und HeiaHeia.

Ein gewisses Risiko für die Start-ups dürfte neben der starken geografischen Konzentration im Ballungsraum Helsinki-Espoo-Vantaa die herrschende Dynamik in der globalen IT-Branche sein: Bereits voriges Jahr schluckte US-Riese Arbitron die finnische Nutzeranalyse-Firma Zokem. Das bereits seit langem etablierte Nokia-Spin-off Comptel wiederum schnupfte zu Jahresbeginn die ebenfalls auf Handy-Kundenanalyse spezialisierte Xtract.

Nokia noch nicht abschreiben

Allen Unkenrufen zum Trotz - gemunkelt wird in Helsinki derzeit sogar über eine bevorstehende Übernahme durch Google oder Microsoft, und auch das Schreckenswort "Pleite" wurde auf so mancher Sauna-Hinterbank schon gehört - sollte man auch Nokia wohl noch nicht völlig abschreiben.

Schließlich hat man bei dem 1864 als Papierfabrik gegründeten Unternehmen in Form von Produktionsumstellungen auf Gummistiefel, Autoreifen, Kabel und Fernseher schon mehrere massive Umwälzungen überstanden. (Andreas Stangl, DER STANDARD, 1.8.2012)