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EZB-Präsident Mario Draghi - er hat für Hochspannung gesorgt.

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Dieser Männ halt nichts von der EZB: "Erst geht das System. Dann gehen wir."

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Frankfurt - Im Kampf gegen die Schuldenkrise drehen Europas Währungshüter zunächst nicht weiter an der Zinsschraube. Der Leitzins im Euroraum bleibt auf dem Rekordtief von 0,75 Prozent. Das beschloss der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag in Frankfurt einstimmig, wie EZB-Chef Mario Draghi mitteilte.

Wichtiger als der Leitzinsentscheid war aber die traditionelle Pressekonferenz des EZB-Chefs. Die EZB sei grundsätzlich zu weiteren Stützungsmaßnahmen für kriselnde Eurostaaten bereit, erklärte Draghi nach der Zinssitzung. "Der Euro ist unumkehrbar", so der EZB-Chef. Die "außergewöhnlich hohen Risikoprämien" für Staatsanleihen mehrerer Euro-Länder behinderten die Durchsetzung der Geldpolitik der EZB. Deshalb würden weitere unkonventionelle Maßnahmen erwogen.

Balancieren auf rechtlichen Grenzen

Seit Tagen wurde darauf spekuliert, dass Draghi umfangreiche Käufe von Anleihen kriselnder Euro-Staaten ankündigen wird, um die Zinslast dieser Länder zu mindern. Draghi selbst hatte die Erwartungen geschürt. Der Italiener hatte vor einer Woche in London gesagt: "Die EZB wird im Rahmen ihres Mandats alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir - es wird ausreichen."

Ob dieses Mandat nicht schon längst aus den Augen gerät, fragt das "Handelsblatt" in einem Kommentar. Es zitiert den Artikel 123 des AEU-Vertrags (Vertrag über die Arbeitsweise der EU): "Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der Europäischen Zentralbank oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen Zentralbanken." Und kommt zum Schluss: Was Draghi in Aussicht stellt, ist rechtlich nicht gedeckt.

Kein sofortiges Eingreifen

Ein sofortiges Eingreifen der EZB an den Anleihemärkten schloss Draghi am Donnerstag aus. Details würden erst in den kommenden Wochen beschlossen. Damit könnte sich wie bereits im Vorfeld von vielen Experten vermutet eine Kombi-Lösung abzeichnen, bei der sowohl EZB als auch Rettungsfonds an den Anleihemärkten intervenieren.

Draghi will den Rettungsfonds EFSF nämlich bei möglichen Anleihekäufen mit im Boot haben. "Die hohen Risikoprämien für einige Staatsanleihen sind nicht akzeptabel", sagte der Präsident der EZB. Draghi kündigte an, dass die EZB möglicherweise wieder Anleihen kaufen könnte, nahm jedoch auch die Regierungen in die Pflicht. Der Rettungsfonds EFSF müsse aktiviert werden, um dem Problem der hohen Renditen zu begegnen.

Draghi bleibt aber dabei, der Euro sei "nicht rückgängig zu machen". Deswegen sei es "zwecklos", gegen den Euro zu wetten. "Das ist die Botschaft", so Draghi.

Anleihenkauf unter Bedingungen

Für Christian Schulz von der Berenberg Bank ist das "ein starkes Signal. Das bedeutet eine ernsthafte Intervention der EZB. Das ist vielleicht sogar eine sehr ernsthafte Intervention der EZB. Das ist insofern etwas stärker als vielleicht erwartet wurde. Die EZB sagt, dass sie mit den adäquaten Summen direkt in den Anleihenmärkten der betroffenen Staaten interveniert. Allerdings: die EZB wird wohl nur intervenieren, wenn ein Land ein ESM-Programm hat. Der ESM muss zunächst einmal um Hilfe gebeten werden. Das heißt, dass Bedingungen zu erfüllen sind von Ländern wie Italien und Spanien. Und das heißt auch, Deutschland, die Niederlande oder Finnland werden möglicherweise ein Vetorecht haben. Ohne ESM-Programm wird die EZB offenbar nicht intervenieren."

Beitrag der Politik

Für Rainer Sartoris von HSBC Trinkaus ist "die Enttäuschung groß, dass die EZB nun doch nicht direkt mit Staatsanleihen-Käufen in den Markt eingreift. Das heißt aber nicht, dass die EZB in der Euro-Krise keine aktivere Rolle einnehmen will. Voraussetzung für Draghi ist allerdings, dass auch die Politik ihren Teil dazu beiträgt. Und auch wenn das die Anleger kurzfristig enttäuscht, könnte sich ein solcher Fahrplan langfristig doch als sinnvoll im Kampf gegen die Euro-Krise erweisen."

Die EZB hatte im Mai 2010 gegen deutschen Widerstand ein Kaufprogramm für Staatsanleihen aufgelegt. Aktuell hat sie Staatspapiere im Wert von 211,5 Mrd. Euro in der Bilanz. Das Programm ruht seit Mitte März, könnte aber theoretisch jederzeit wieder aktiviert werden.

Draghi sagte außerdem, die Unsicherheit im Euroraum bleibe hoch und das Wachstum schwach. Die Indikatoren würden auf schwache wirtschaftliche Aktivität im zweiten Quartal hinweisen. Die Inflationserwartungen dürften weiter zurückgehen.

Märkte enttäuscht

Nach der Zinsentscheidung reagierten die Märkte enttäuscht. Die Renditen spanischer und italienischer Anleihen zogen wieder an, der Euro fiel, die Börsen befanden sich im Sinkflug. (Reuters/APA, 2.8.2012)