Laut "Wall Street Journal" schmückt Edvard Munchs Pastell "Der Schrei" ein Apartment in der Park Avenue.

Foto: Sotheby's

Man will es halt wissen, schon deshalb, weil 120 Millionen für hiesige Otto Normalverbraucher und internationale John Does einen astronomischen Wert darstellen. Dollar, Euro, einerlei, das höchste jemals in einer Auktion verzeichnete Gebot jedenfalls. Wer bitte schön ist bereit, ein solches Vermögen für ein einzelnes Bild auszugeben, konkret für Edvard Munchs Der Schrei, eine von vier Versionen und die letzte in Privatbesitz befindliche? Kann ein einzelnes Kunstwerk überhaupt so viel wert sein? Dass anfänglich acht Interessenten mehr als 40 Millionen zu investieren bereit waren, dass der Siegreiche noch bei 107 Millionen einen Gegenbieter hatte, war nach dem 2. Mai nebensächlich. Kaum hatte Sotheby's-Auktionator Tobias Meyer seinen Gavel auf das Rostrum geknallt, begann das Rätselraten um die Identität des Käufers.

Der Emir von Manhattan

Das Emirat von Katar, behauptete ein in Istanbul ansässiger Geschäftsmann, prompt gewährte die Deutsche Presse-Agentur dieser Fama medialen Raum. Wer seit Monaten bezüglich eines 250-Millionen-Dollar-Deals (Cézanne, Die Kartenspieler) im Gerede ist, muss sich um solche Zuordnungen weder bemühen noch kümmern. Die Fachwelt hatte da so ihre Zweifel, Arbeiten auf Papier fielen bislang nicht in deren Beuteschema, auch aus konservatorischen Gründen, war zu hören. Am 11. Juli lüftete das Wall Street Journal nun das Geheimnis: Leon Black, ein laut Forbes-Ranking 3,4 Milliarden Dollar (Nettovermögen) schwerer Finanzmanager, verheiratet mit einer Broadway-Producerin und Vater von vier Kindern.

Der 61-Jährige habe bereits als Teenager Zeichnungen zu sammeln begonnen, mittlerweile umfasse seine auf rund 750 Millionen Dollar geschätzte Kollektion eine erkleckliche Spannweite, die, wie der auf Altmeister spezialisierte New Yorker Kunsthändler Richard Feigen betont, unter den gegenwärtig aktiven Privatsammlern ihren Vergleich sucht. Chinesische Bronzen schmücken ebenso das Apartment in der Park Avenue wie Arbeiten Constantin Brancusis, Zeichnungen van Goghs oder Raffaels (Christie's London 2008: Kopf einer Muse, 29,16 Mio. Pfund / 47,6 Mio. Dollar). Keine Frage, Munchs Pastell befindet sich insofern in guter, weil auch elitärer Gesellschaft.

Turbulenzen in der Eurozone

Auf 119,92 Millionen Dollar belief sich der Kaufpreis bzw. entsprechend dem Tageswechselkurs auf 91,03 Millionen Euro. Nun, drei Monate später, hätte ein Eurozahler hingegen 97,71 Millionen (Tageskurs 2. 8.) berappen müssen. Deutlicher kann man Turbulenzen in der Eurozone gar nicht in Zahlen kleiden. Dass die Umsätze auf dem europäischen Kunstmarkt nicht völlig wegschmieren, ist zu einem erheblichen Teil amerikanischen, auch asiatischen Käufern zu danken, dazu den Gewinnern der Krise und wiederum solchen, die in Kunst eine wertbeständigere Anlagealternative sehen. Und diesen Trend bestätigt beispielhaft die vor kurzem von Christie's veröffentlichte Halbjahresbilanz, wonach die in Europa (inkl. Großbritannien) verzeichneten Umsätze um 13 Prozent stiegen. In den USA, wo man zum Halbjahr 2011 einen Rückgang (-13 %) zu verbuchen hatte, beläuft sich der Zuwachs aktuell auf 14 Prozent.

Dem stehen ein starker Rückgang in Asien (-23 %) und ein regelrechte Talfahrt in Dubai (-53 %) gegenüber, Letztere könnte den Auktionsstandort in der Wüste aus wirtschaftlicher Perspektive mittelfristig infrage stellen.

Die Kaufkraft dieser Klientel kam Christie's jedoch nicht abhanden, sondern wurde - entsprechend den verzeichneten Regis trierungen aus dieser Region (+31 %) - auf die Marktplätze New York und London "umgeleitet". Insgesamt verlautbarte Christie's mit 3,5 Milliarden Dollar (+11 %) einen Halbjahresrekord, wovon man 2,88 Milliarden in Auktionen (+5 %) sowie 661,5 Millionen (+50 %) über Private Sales notierte. Sotheby's kredenzt das vergleichbare Zahlenfutter demnächst über die Bilanz zum zweiten Quartal, im ersten lag man im Bereich Auktionen zurück (-29 %) und war bei Private Sales (+85 %) voran. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 4./5.8.2012)