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Seltsame CDs und ein Organisationsplan: Hilmi Özkök.

Foto: AP Photo/Burhan Ozbilici

Ankara/Athen - Der Richter entrollt Papiere, auf denen Schemata einer Organisation aufgezeichnet sind, und reicht sie an den pensionierten General weiter. Hilmi Özkök glaubt eines der Papiere wiederzuerkennen. "Zu 90 Prozent", sagt der frühere türkische Armeechef. Es seien mögliche Strukturen der angeblichen Terrororganisation Ergenekon, hatte der Richter zuvor erklärt. Nach vier Jahren Verhandlungen deutet sich plötzlich die Wende im Massenprozess um putschverdächtige Offiziere an. Der Kronzeuge ist gefunden.

Es ist ein schwieriger Auftritt für den mittlerweile 72-jährigen Özkök. 273 Angeklagte gibt es in diesem Prozess gegen die angeblichen Verschwörer aus Armee und Zivilgesellschaft. 360 weitere - ausschließlich Militärs - sind es in einem anderen Verfahren. Mit den Kommandeuren, die nun vor Gericht stehen, ist Özkök gemeinsam die Karriereleiter hochgeklettert. Die türkische Armee - auf dem Papier die zweitgrößte der Nato - ist immer noch ein geschlossener Verein, in dem Loyalität mehr zählt als alles andere.

Das angebliche Schema des angeblichen Geheimbunds Erge nekon hat Özkök 2003 vom damaligen Geheimdienstchef erhalten. Es habe keinen Sinn für ihn ergeben, so sagt der Ex-General; aktive Offiziere mit niedrigem Rang waren auf höheren Posten aufgezeichnet ge wesen.

"Ich muss sehr vorsichtig sein"

Auch zwei CDs mit den seltsamen Titeln "Mondschein" und "Phosphorlicht", die 2004 auf seinem Schreibtisch landeten, nahm Armeechef Özkök nicht ernst. "Es hätte sich um Desinformation handeln können. Ich musste sehr vorsichtig sein." Über den Inhalt der CDs habe er nicht mit seinen Untergebenen gesprochen, gab Özkök am Donnerstag und Freitag diese Woche bei seiner Vernehmung im Gerichtssaal des Hochsicherheitsgefängnisses von Silivri, 70 Kilometer von Istanbul entfernt, an. Den Angeklagten werden Terrorpläne vorgeworfen: Anschläge auf Intellektuelle und historische Moscheen oder die Provokation eines Krieges mit Griechenland.

Özkök stand dem türkischen Militär von 2002 bis 2006 vor. Der Irakkrieg fiel in seine Zeit, der Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen - und der Wahlsieg der konservativ-islamischen AKP von Tayyip Erdogan. Viele in der Militärführung beunruhigte das, "mich eingeschlossen", gab Özkök zu. Bei einem Brainstorming sei auch der Vorschlag einer Warnung an die neue Regierung in Form eines "Memorandums" aufgetaucht. Das aber, so verteidigte sich der Ex-Armeechef, sei kein "offizieller Vorschlag" gewesen.(Markus Bernat, DER STANDARD, 4./5.8.2012)