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Einst bewunderte Xenia Sobtschak den politischen Ziehsohn ihres Vaters, Wladimir Putin.

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Nach der Dumawahl 2011 hagelte es dann Kritik am Kremlchef. Ihr Seitenwechsel blieb nicht ungerächt. Statt in TV-Shows steht das ehemalige Starlet nun bei der Untersuchungskommission Rede und Antwort.

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Standard: Ihr Auftritt auf den Oppositionsdemos kam für viele überraschend. Sie galten als unpolitischer Mensch und wurden sogar die russische Paris Hilton genannt.

Sobtschak: Im Showgeschäft werden einem oft Etiketten angehängt. Aber es ist nicht korrekt, mich mit wem auch immer zu vergleichen. Ich habe irgendwann verstanden, dass sich das Land in die falsche Richtung bewegt. Russland hat ein gewaltiges Potenzial, aber das kann beim derzeitigen Stand der Korruption, ohne demokratische Institutionen und politische Konkurrenz nicht realisiert werden.

Standard: Wie stehen Sie zum Vorwurf, dass Sie nur die Oppositionelle spielen, weil Ihnen das Showbusiness zu langweilig wurde?

Sobtschak: Ich äußere schon ziemlich lange aktiv meinen Unmut. Aber erst die Wahlfälschungen haben mich dazu gebracht, auf die Straße zu gehen. Wenn man mich irgendwelcher Spielchen bezeichnet, kann ich darüber nur lachen. In mein Haus dringen maskierte und bewaffnete Sondereinheiten ein und stellen alles auf den Kopf. Ich werde zum Verhör einbestellt wegen einer Demo, an der ich gar nicht teilgenommen habe. Dabei hege ich weder Machtansprüche, noch verkünde ich radikale Losungen. Aber leider wird heutzutage selbst eine derart gemäßigte Haltung in unserem Land schon als Verbrechen betrachtet.

Standard: Welche politischen Ziele verfolgen Sie denn?

Sobtschak: Verstehen Sie doch, ich beteilige mich nicht an politischen Auseinandersetzungen. Die Besonderheit der Propaganda in Russland besteht darin, dass jeder Mensch, der die Obrigkeit kritisiert - selbst wenn diese Kritik konstruktiv ist - nach einer gewissen Zeit als radikaler Oppositioneller betrachtet wird. Ich will meine Projekte nicht im kompromisslosen Kampf durchsetzen, sondern in einem normalen zivilisierten Dialog zwischen Obrigkeit, Opposition und Zivilgesellschaft. Ich will die Möglichkeit haben, eine ernsthafte Polit-Talk-Show nicht nur im Internet, sondern im landesweiten TV zu führen. Ist das zu viel verlangt?

Standard: Sie haben aber ausgerechnet an Präsident Wladimir Putin, einem alten Freund ihrer Familie Kritik geübt. Seine Reaktion darauf nannten Sie dann Rache. Hat Sie das wirklich überrascht? Sie kennen ihn doch schon lange.

Sobtschak: Meine Worte haben manchmal kritisch geklungen, aber daran ist nichts Verwerfliches. Ich habe ihn nie persönlich angegriffen oder beleidigt. Die Zivilgesellschaft will mit ihrer Kritik bestehende Missstände beseitigen. Eine kluge Führung muss sich den Unwillen der Bürger anhören und darf Andersdenkende nicht verfolgen. Klar wird mir häufig gesagt, dass der Druck auf mich eine Folge meiner Tätigkeit ist. Ich würde gern denken, dass dies die Initiative von Beamten und Sicherheitsorganen ist. Aber ich weiß ehrlich nicht, welche Rolle Wladimir Putin selbst dabei spielt.

Anti-Putin-Video vor der Präsidentenwahl im März 2012: Zu Beginn sieht man Xenia Sobtschak, wie sie einen namentlich nicht genannten Kandidaten lobt. Danach erkennt man, dass sie an einen Stuhl gefesselt ist. Ein Mann in Lederjacke sagt "Gut gemacht", klebt ihren Mund zu und lässt sie von Polizisten wegtransportieren.

Standard: In Ihrer Wohnung wurde viel Geld, laut Staatsanwaltschaft über eine Million Euro, gefunden. Warum bewahrt man eine solche Summe zu Hause auf?

Sobtschak: Russland hat viele Krisen durchlebt, und das Bankensystem hatte bei uns noch nie einen guten Ruf. Unsere Bürger haben mehr als einmal ihre Guthaben wegen irgendwelcher Wirtschaftskrisen verloren, und so schien es mir sicherer, das Geld bei mir aufzubewahren. Wie dem auch sei, das ganze Geld, welches beschlagnahmt wurde, ist legal. Ich habe es ehrlich erarbeitet. Jede Kopeke habe ich beim Finanzamt versteuert und die entsprechenden Deklarationen auch den Ermittlern vorgewiesen. Dass die das Geld immer noch nicht herausgerückt haben, ist absolute Willkür.

Standard: Sie sind nicht die einzige Kritikerin, deren Wohnung durchsucht wurde. Was wird damit bezweckt?

Sobtschak: Es ist offensichtlich, dass die Machthaber ihre Gegner mithilfe der Sicherheitsorgane einschüchtern wollen. Die gegenseitige Radikalisierung von Obrigkeit und Opposition, die wir die letzten Monate über beobachten, ist eine Sackgasse.

Standard: Gibt es einen Ausweg aus dieser Sackgasse?

Sobtschak: Ich denke, es gibt zwei Szenarien: Entweder kommt es zur weiteren Radikalisierung oder zu Verhandlungen und einem Kompromiss. Die erste Variante ist sehr gefährlich, da Bürgerkrieg und die Einrichtung eines totalitären Regimes drohen. Die zweite Variante gibt uns Chancen auf eine zivilisierte Entwicklung.

Standard: Wie gefährlich ist es denn für Andersdenkende derzeit in Russland?

Sobtschak: Ich fühle mich nicht in Sicherheit - wie auch viele meiner Freunde. Ich sehe, dass viele ausreisen wollen - in Länder, wo das Gesetz alle Bürger schützt und nicht nur diejenigen, die der Macht am nächsten stehen. Aber ich habe nicht vor zu emigrieren. Trotz aller Schwierigkeiten, habe ich weiter die Hoffnung, dass Russland ein zivilisierter europäischer Staat werden kann. (André Ballin, DER STANDARD, 4.8.2012)