Wo und wie man als AsylwerberIn in Österreich untergebracht wird, also mit welchen Lebensbedingungen man für Monate bis Jahre rechnen muss, ist derzeit eine Sache des Zufalls.

Foto: privat

Die Reportage, die mit dem Foto dieses Blogs - und anderen Schnappschüssen aus südburgenländischen Flüchtlingspensionen - vor wenigen Tagen im Standard-Print und -Online erschienen ist, stieß auf einiges Interesse. Dass in nur einem einzigen Gasthofzimmer sechs Menschen - Eltern und vier kleine Kinder - untergebracht waren, fanden viele LeserInnen inakzeptabel. Ebenso den von Untergebrachten geschilderten Ton mancher Wirtsleute: autoritäres Gebrüll bei kleinsten Problemen und andere schikanöse Lebensbedingungen.

Es war nicht der erste derartige Bericht: Schon eine Woche davor hatte ein foto- und videoillustrierter Artikel im Standard die Zustände in einer noch weitaus desolateren Asylwerberunterkunft in Kärnten dokumentiert: mit gepölzten Räumen, dicken Schimmelschichten an den Wänden und Regenwasser, das sich durch Stromleitungen, an den Kabeln entlang, in eingeschaltete, am Plafond montierte Lampen ergoss und von dort auf den Boden.

Umstände wie diese, mehr oder weniger krass, herrschen dem Vernehmen nach auch noch in anderen Herbergen, in denen Österreich, in Anwendung der Bund-Länder-Vereinbarung über die Flüchtlingsunterbringung, seinen durch die Genfer Flüchtlingskonvention und EU-Richtlinien vorgeschriebenen Pflichten nachkommt. Doch beweiskräftige Infos über derlei Problemunterbringungen sind schwer zu kriegen. Zu groß sind meist die Furcht der betroffenen AsylwerberInnen vor Sanktionen und die Abhängigkeit von BetreuerInnen von den Landes-Geldgebern.

Wohnprinzip Zufall

Natürlich gibt es vielerorts auch sehr gut funktionierende Flüchtlingspensionen, das ist zur Ehre der dortigen WirtInnen und zum Glück für ihre Langzeitgäste herauszustreichen. Doch wo und wie man als AsylwerberIn in Österreich untergebracht wird, also mit welchen Lebensbedingungen man für Monate bis Jahre rechnen muss, ist derzeit eine Sache des Zufalls, und somit des Glücks. Weil es vielerorts keinerlei ernsthaften Kontrollen gibt - sowie keine in allen Bundesländern einzuhaltenden Qualitätsstandards für die Flüchtlingsunterbringung.

Wie diese aussehen könnten, wenn Innenministerium und Flüchtlingsverantwortliche der Länder die nötige Bereitschaft aufbrächten, sie zu diskutieren, zu beschließen und umzusetzen, ist in einem Papier der Agenda Asyl - eines Zusammenschlusses der meisten relevanten NGOs aus dem Asylbereich - nachzulesen.
Neben der Forderung nach kräftiger Erhöhung des Tagsatzes pro Flüchtling, über die vor Kurzem ausgemachten 19 Euro hinaus und der Aufforderung an alle Länder, den Größenbedarf pro Person, den sonstigen Wohnwert der Unterkunft sowie Hausordnungen verbindlich festzulegen, wird darin etwa auch ein grundlegenderes Überdenken der derzeitigen Regeln vorgeschlagen.

Zum Beispiel, dass das starre Zuweisungssystem, das Asylwerbern derzeit keinerlei Mitsprache gewährt, wo in Österreich sie untergebracht werden wollen, aufgeweicht werden sollte. Auch mit Verlegungswünschen solle man flexibler umgehen, besagt das Papier.

Übersiedeln verboten

Denn derzeit wird AsylwerberInnen ein solches Übersiedeln extrem schwer gemacht. Über Bundesländergrenzen hinweg ist es bei Strafe mit Unterkunftsverlust sogar unmöglich. Das hat die Folge, dass AsylwerberInnen den Zuständen in den Pensionen fast wehrlos ausgeliefert sind.

Ließe man in dieser Hinsicht ein wenig mehr Liberalität walten - es gäbe ein Forum, auch für Wohnbeschwerden, mit qualitätssicherndem Effekt: Graus-Pensionen wie jene in Kärnten, "strenge Kammern" wie jene im Burgenland wären rasch gästefrei.

Aber natürlich müsste, auf dem Weg dorthin, ein prinzipielles Problem der Flüchtlingsunterbringung in Österreich angegangen werden: der akute Plätzemangel, an dem - neben dem zu geringen Entgelt für Beherberger - auch der miese Asylwerber-Ruf Schuld trägt. Fast überall, wo ruchbar wird, dass Flüchtlinge einziehen sollen, gibt es derzeit Proteste, die FPÖ und andere Rechte können sich dort die Hände reiben.

Dagegen würde eine Verbesserung des Images von Asylwerbern helfen, durch sachliche Informationen statt Problemeabwälzens auf die mit derzeit knapp 18.000 Menschen im Grunde kleine Personengruppe. Sowie gezielte Kommunikationsangebote mit langem Atem für potenzielle NachbarInnen - für Länder wie Bund ein Langfristprogramm, aber eines mit eminentem Menschenrechtsnutzen. (Irene Brickner, derStandard.at, 4.8.2012)