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Die Bezirksvorsteherin für den 1. Bezirk, Ursula Stenzl, setzt sich für Nummerntafeln auf Fahrrädern ein.

Foto: David Faber/APA

Man braucht keine Zahlenlese-Koryphäe zu sein, um Binsenweisheiten zu kapieren. Etwa die, dass der Anteil an Idioten in allen Bevölkerungsgruppen etwa gleich hoch ist, die Zahl der Pfosten aber steigt, wenn die Gruppe wächst. Etwa die der Radler.

Ebenso eine Binsenweisheit: Der Mensch gewöhnt sich an Idiotie, wenn er ihr lang genug ausgesetzt ist. Wer in Wien an Tempo 30 in Tempo-30-Zonen oder Schutz auf dem Schutzweg glaubt, lebt gefährlich. Oder kurz.

Geschenkt. Denn hier geht es um Radler und Politik. Dem Politiker ist immanent, Konflikte zu scheuen: Akzeptiertes, mehrheitsfähiges Fehlverhalten gilt es zu ignorieren. Durch zackiges Aufgreifen von Orchideenproblemen wird abgelenkt.

Dazu mache man die Binse zur Weisheit - und garniere mit einem Instantrezept: Fahrräder brauchen Nummerntafeln - und alles ist gut.

Das Volk mag das. Seit jeher. Das Etikett macht Böses erkenn-, greif- und abstrafbar. Ganz schnell. Ganz einfach.

Dass Wanderstockplaketten unterm Sattel nix bringen, will keiner hören: Autofahrer begehen Fahrerflucht? Trotz Nummerntafel? Unglaublich!

Denn derlei macht Debatten kompliziert. Und gefährlich: Man könnte auf Pudels Kern stoßen - die notorische Aggressivität im Austro-Straßenverkehr. Die Idiotie der Autofahrer ist man gewöhnt. Die der Radfahrer (noch) nicht. Das anzugehen traut sich die Politik nicht zu: Hierzulande löst man keine Probleme - man simuliert es bloß. Etwa indem man Symptome kaschiert. Aber auch das ist eine Binsenweisheit. (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, 3.8.2012)