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In London 2012 hat es begonnen, wie es auch in Peking 2008 begann. Usain Bolt lief dem Rest der Welt davon, warf sich in Posen und machte Party. Als Erster seit Carl Lewis hat Bolt den Titel im Sprint verteidigt. Selbiges plant er auch über 200 Meter und mit der Staffel.

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Die Flasche, der Werfer (mit Brille) und Frau Bosch dahinter.

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London - Saudummer Punk. Das ist also die Musik der Spiele. Genauer gesagt: Daft Punk - eine 1993 gegründete Houseformation, die gemeinsam mit dem Sänger Romanthony im Jahr 2000 ihren größten kommerziellen Erfolg landete. One More Time, so heißt die Nummer, sie hat sich mehr als vier Millionen Mal verkauft. Allein mit den olympischen Tantiemen müssen sich Daft Punk, nun ja, dumm und dämlich verdienen, sie werden rauf und runter gespielt. One More Time passt ja auch - zu jedem britischen Triumph. Und vor allem zu Usain Bolt.

Umarmen, Fans abklatschen, Fahne umhängen, Zeigefinger-Pose, Purzelbaum, Späße mit dem Maskottchen. Es war fast, als hätte Sprintsieger Usain Bolt das Olympiastadion und 80.000 Zuseher mittels Zeitmaschine vier Jahre zurückgeschickt. Die Siegerzeit war ein bisserl besser als in Peking, 9,63 Sekunden statt 9,69, der Abstand zu den Verfolgern ein bisserl geringer. Und doch - kein Vergleich mit Peking.

"Es ist leichter, an die Spitze zu kommen", sagte Bolt in der Nacht auf Montag in den Katakomben des Olympiastadions, "als dort zu bleiben." Und indirekt gab der 25-Jährige zu, angespannt gewesen zu sein, bei weitem nicht so siegessicher wie 2008. Vielleicht wegen des Fehlstarts und der Disqualifikation bei der WM 2011, vielleicht wegen der Niederlage gegen Weltmeister Yohan Blake (22) bei den jamaikanischen Trials. Bolt: "Yohan hat mir einen Weckruf verpasst. Er hat angeklopft und gesagt: ,Usain, das ist das Olympiajahr, du musst aufwachen.' Danach hab ich mich wirklich konzentriert."

Doch mehr als alles andere hatten Bolt körperliche Probleme außer Tritt gebracht. Vor einem Monat war er in München bei Hans Müller-Wohlfahrt aufgetaucht, dem Orthopäden des FC Bayern und des deutschen Nationalteams. Müller-Wohlfahrt dürfte Bolt nicht bloß am Rücken, sondern auch psychologisch bearbeitet haben. "Er ist der beste Arzt der Welt", bedankte sich der Sprinter durchaus überschwänglich. "Er hat einen großen Anteil an meinem Erfolg. Er hat mir gesagt, dass ich bei den Spielen Großes leisten werde. Er ist mehr als mein Arzt, er führt mich zum Essen aus und kümmert sich um mich. Ein Stück dieser Goldmedaille geht auch nach Deutschland."

Hattrick und Highspeed

Weitere Goldstücke könnten folgen. Die 200 Meter (Finale am Donnerstag) und die Sprintstaffel (Samstag) stehen noch aus, in Peking hatte Bolt den Hattrick gelandet. Jamaikas Staffel ist nebenbei regierender Weltmeister und hält den Weltrekord (37,04). Solo scheint er noch weniger zu stoppen, schließlich hält er auch den 200-m-Weltrekord (19, 19), und schon im Sprint zog er erst nach und nach wirklich davon.

Zwischen 60 und 80 Metern pflegt er die Höchstgeschwindigkeit zu erreichen, bei seinem Weltrekordlauf 2009 (9,58) lag sie bei 44,72 km/h. Daran kam Bolt wohl heran, war er doch eher langsam aus den Blöcken gekommen. Die relativ durchschnittliche Reaktionszeit und der also verhaltene Start waren der WM-Disqualifikation im Vorjahr geschuldet. So oder so schaute ein Olympiarekord heraus, und Bolt hat als Erster seit Carl Lewis (1984, 1988) den Sprinttitel verteidigt.

Über 200 Meter wird der Start noch weniger Bedeutung haben. Andere werden ihm wohl mehr Aufmerksamkeit schenken, nämlich die Ordner. Unmittelbar vor dem 100-m-Finale hatte ein Betrunkener von der Tribüne aus eine Flasche in Bolts Richtung geschleudert. Die Flasche landete hinter den Startblöcken, von Bolt unbemerkt. Sehr wohl etwas bemerkt hatte Edith Bosch, die in der Nähe des Werfers saß. Zu seinem Pech ist Frau Bosch ein niederländisches Judo-Mittelgewicht, sie hat in London die Bronzemedaille geholt und den schimpfenden Betrunkenen, der flüchten wollte, einfach festgehalten, bis die Polizei zur Stelle war.

Ob er jetzt eine Legende sei, wurde Bolt noch gefragt in den Katakomben des Stadions. "Ich bin einen Schritt näher dran, eine Legende zu werden" , lautete seine Antwort. "Aber bevor ich nicht die 200 Meter gewonnen habe, sage ich nicht, dass ich der Größte bin." Diesen Endlauf gilt es also abzuwarten, einmal One More Time mit Sicherheit auch.

In London 2012 hat es begonnen, wie es auch in Peking 2008 begann. Usain Bolt lief dem Rest der Welt davon, warf sich in Posen und machte Party. Als Erster seit Carl Lewis hat Bolt den Titel im Sprint verteidigt. Selbiges plant er auch über 200 Meter und mit der Staffel. (Fritz Neumann aus London; 7.8.2012)