"Raubsozialismus" wittert Wolfram Weimer im "Handelsblatt", eine neue "Reichsfluchtsteuer" sieht der "Presse"-Kolumnist Christian Ortner im Anmarsch.

Was ist geschehen? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat zum Abbau der Staatsschulden eine einmalige Zwangsanleihe bzw. Vermögensabgabe für die Allerreichsten vorgeschlagen. Ab einem Freibetrag von 250.000 Euro sollen zehn Prozent zur Schuldentilgung verwendet werden. Betroffen wären die reichsten acht Prozent der Deutschen, in Österreich wäre eine ähnlich kleine Gruppe ins Visier zu nehmen.

Viele Argumente sprechen dafür

Die Argumente dafür, die Reichen stärker an den Krisenkosten zu beteiligen, sind mehr als überzeugend: Seit Jahrzehnten wachsen die großen Vermögen, während der Wohlstand der breiten Bevölkerung stagniert oder fällt. In Österreich besitzen die reichsten zehn Prozent rund zwei Drittel des Gesamtvermögens, also doppelt so viel wie die restlichen 90 Prozent zusammen. Dennoch leisten die Reichen europaweit einen immer geringeren Steuerbeitrag - hierzulande wurden etwa Erbschafts- und Schenkungssteuer 2008 abgeschafft. Eine echte Vermögenssteuer gibt es seit 1993 nicht mehr. Die Grundsteuer ist aufgrund veralteter Einheitswerte sehr niedrig.

Zudem sind für einen guten Teil der Staatsschulden die Bankenpakete verantwortlich, die in erster Linie die Vermögen von deren EigentümerInnen gerettet haben - aber uns allen nach dem Motto "Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt" angelastet werden. Zuletzt ist die Vermögensungleichheit ein struktureller Mitgrund der Krise: Große Vermögen, die gar nicht mehr ausgegeben werden können, sind das Spielgeld jener unkontrollierten Spekulation auf den Finanzmärkten, die uns in die aktuellen Schwierigkeiten geführt hat.

Ideologische Abwehrreflexe

Gründe genug, die Vermögenden stärker in die Verantwortung zu nehmen. Statt sich sachlich mit diesen Argumenten auseinanderzusetzen, reagiert das konservative und neoliberale Lager mit reflexhafter Abwehr. Ihr "Enteignungs"-Geschrei desavouiert sich selbst. Denn wer die aktuelle Entwicklung in Europa kritisch beobachtet, erkennt einerseits eindeutig, dass die bisherige Krisenpolitik nicht funktioniert, ja die Lage sogar schlimmer macht: Sie treibt Rezession, Arbeitslosigkeit und auch die Schulden in immer neue Höhen und schont zugleich Banken und Vermögende.

Andererseits ist es ein Skandal für sich, wenn bei der Verteidigung dieser Politik selbst vor einem Vergleich mit den Verbrechen des Nazi-Regimes - und damit deren Verharmlosung - nicht zurückgeschreckt wird.

Lösung der Krise

Es ist also höchst an der Zeit für eine fundamental andere Krisenpolitik. Die Forderung nach einer Vermögensabgabe kann hierfür ein Baustein sein (das europäische Attac-Netzwerk fordert neben Vermögenssteuern eine solche einmalige Abgabe als Teil eines dreiteiligen Maßnahmenpakets, mit dem die Krise unmittelbar bekämpft werden soll).

Der zweite Vorschlag betrifft öffentliche Schuldenaudits, um anhand der Ergebnisse Streichungen von Schulden durchzuführen. Dahinter steht die Idee, dass Schulden, die nicht zum Wohle aller, sondern für mit Korruption behaftete Projekte verwendet wurden und werden, nicht anerkannt werden sollten.

Drittens sollte die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) überdacht werden. Sie soll zunächst die Staatsanleihen der unter der Zinsexplosion leidenden Staaten garantieren, damit die Spekulation gegen diese Staaten beendet wird. In weiterer Folge soll die EZB die Staaten unter bestimmten Bedingungen direkt finanzieren, um öffentliche Aufgaben nicht länger dem Druck der Finanzmärkte auszusetzen. Auch bei dieser Forderung ist der Abwehrreflex bezeichnend: Als eine "Todsünde" bezeichnet der deutsche "Wirtschaftsweise" Wolfgang Franz die EZB-Finanzierung. Diese Wortwahl entlarvt seine Haltung als eine, die mehr mit Glauben als mit fundiertem ökonomischem Wissen zu tun hat.

Mit den konservativen Tabus brechen

Diese drei Forderungen brechen die Tabus von konservativen und neoliberalen ApologetInnen auf. Denn gerade deren Glaubenssätze sind es, die uns in die Krise geführt haben und sie seither vertiefen. Es ist Zeit, die Dogmen aufzugeben - wir können sie uns nicht länger leisten! (Gerhard Zahler-Treiber, derStandard.at, 7.8.2012)