Wien - Beim zweiten Bawag-Strafprozess hat das Gericht heute einen erfolglosen Versuch unternommen, den mitangeklagten Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner in den Gerichtssaal zu bringen. Heute um sieben Uhr früh seien Polizisten in Elsners Wiener Wohnung gekommen um diesen vor Gericht vorzuführen, sagte dessen Anwalt Jürgen Stephan Mertens vor Beginn der Verhandlung. Elsner sei aber nicht in Wien, sondern halte sich in einer deutschen Reha-Klinik auf - wie er gestern ohnehin dem Gericht mitgeteilt habe, so der Anwalt.

Elsners Ehefrau Ruth bestätigte den Vorführungsversuch: Um 7 Uhr früh seien zwei Beamte gekommen, Elsner sei aber nicht da, weil er sich in Berchtesgaden in einer Reha-Klinik aufhalte. Die beiden Polizisten seien unverrichteter Dinge wieder gegangen. 

Fortsetzung im September

Während der Gerichtsgutachter Elsner für verhandlungsfähig erklärt hat, verweist seine Verteidigung auf drei Privatgutachter, wonach Elsner zu krank für die Prozessteilnahme sei. Richter Christian Böhm entschied daraufhin, das Verfahren gegen Elsner am 3. September zu führen, gegen die anderen Angeklagten gehe es dann am 4. September weiter.

Im Gerichtssaal kam es heute, am 16. Verhandlungstag, trotz der sehr kurzen Verhandlung zu unruhigen Szenen: Als Elsners Anwalt Andreas Stranzinger dem Richter ins Wort fiel und einen Ausschließungsantrag gegen den Richter wegen Befangenheit einbringen wollte, wurde Richter Böhm laut und drohte dem Anwalt mit einer Disziplinaranzeige, sollte er ohne seine Erlaubnis weitersprechen. Stranzinger erklärte dazu nach der Verhandlung, er habe nur unmittelbar rügen wollen, dass der Vorführungsversuch Elsners ohne vorherige Androhung einer Vorführung unternommen worden sei und daher rechtswidrig wäre, daher habe er den Befangenheitsantrag sofort stellen wollen. Schließlich konnte er seinen Befangenheitsantrag gegen den Richter doch stellen.

Auch die auf den Zuhörerbänken anwesende Ehefrau Elsners wurde vom Richter gemaßregelt. Als der Richter schilderte, dass Polizisten bei einem vorangegangenen Ladungsversuch Elsners aus der Wohnung Geräusche hörten, die auf die Anwesenheit einer weiteren Person schließen ließen, kommentierte Ruth Elsner dies mit den Worten "lächerlich". "Zwischenrufe aus dem Publikum sind zu unterlassen", so der Richter, sonst werde er die Zwischenrufer aus dem Saal weisen. Nach der Verhandlung meinte Ruth Elsner, an dem Tag sei eine Freundin bei ihr gewesen, außerdem habe sie einen Hund. Ihr Mann habe sich jedenfalls nicht in der Wohnung befunden.

Gutachter erklärt Verhandlungsfähigkeit

Elsner war ja gestern vom Gerichtsgutachter Professor Günter Leopold Steurer für verhandlungsfähig erklärt worden. Steurer hatte Elsners Befunde bekommen. Die Verteidigung Elsners legte drei Privatgutachten vor, wonach er zu krank sei, um an der Verhandlung teilzunehmen. Elsners Anwalt Jürgen Stephan Mertens wollte gestern Fragen an Steurer stellen, weil er dessen Gutachten anzweifelt - doch dazu bekam er auch heute keine Gelegenheit.

Elsners Privatgutachter Professor Manfred Deutsch, ein Herzchirurg, schilderte nach der Verhandlung seine Einwände gegen das Gerichtsgutachten Steurers: Dieser spiele die Herzkrankheit Elsners herunter, obwohl dessen drei Bypässe nicht mehr funktionierten. "Elsners Zustand ist heute deutlich schlechter als vor der Operation", meinte er. Steurer habe Elsners Gesundheitszustand als "stabil" bezeichnet, aber "ich würde das bezeichnen als stabilen Krankenstand". Der 77-jährige Patient habe mehrere Erkrankungen und nehme zahlreiche Medikamente, alleine durch die Nebenwirkungen wie Müdigkeit und mangelnde Konzentrationsfähigkeit sei seine Verhandlungsfähigkeit nicht gegeben. "Er ist ein Kandidat für einen Herzinfarkt". Auch wenn Steurer eine Notfallausrüstung neben dem Gerichtssaal habe, so wäre er in einem tatsächlich eintretendem Notfall, also bei einem Herzinfarkt Elsners im Gerichtssaal, alleine auf verlorenem Posten. Die maximale Stressbelastung während einer Verhandlung wäre für Elsner ein Risiko, ihn dessen absichtlich auszusetzen eine "inhumane Vorgangsweise", so der Arzt.

Ob Elsner überhaupt je zum zweiten Bawag-Prozess kommt, bleibt also damit offen. Elsner ist ja schon im ersten Prozess rechtskräftig wegen Untreue zur Höchststrafe von zehn Jahren verurteilt, wovon er viereinhalb Jahre abgesessen hat, bis er vergangenen Sommer aus gesundheitlichen Gründen für haftunfähig erklärt worden war und entlassen wurde. Im zweiten Bawag-Strafprozess ist Elsner nur wegen einer Subsidiaranklage der Bawag mitangeklagt - die Staatsanwaltschaft hatte auf eine neuerliche Anklage verzichtet. (APA, 7.8.2012)